Ins Leben zurückgerufen
gefragt, ob man daran interessiert sei, die Erinnerungen einer ehemaligen Gefängnisaufseherin zu kaufen. Keine Namen, kein Strafexerzieren. Wir vereinbarten ein Treffen.«
»Und?«
»Am nächsten Tag erhielt ich einen Anruf von einem Mann, der behauptete, vom Versorgungsamt des Innenministeriums zu sein. Den Brief erwähnte er nicht, sondern wollte nur wissen, wie lange ich pensionsberechtigten Dienst getan habe. Nachdem wir das geklärt hatten, redete er noch weiter, noch immer sehr nett und freundlich. Er sei sich sicher, daß ich mir darüber im klaren sei, daß ich noch immer zur Geheimhaltung verpflichtet bin und daß jeder Bruch des Dienstgeheimnisses natürlich zu einem Verlust meiner Pensionsrechte und möglicherweise zu einer Anklage führen würde.«
Pascoe pfiff durch die Zähne. »Und so haben Sie die Regenbogenpresse ganz schnell abgehakt. Sehr klug. Jemand im Innenministerium muß große Ohren haben.«
»Und starke Muskeln«, sagte sie grimmig. »So kann das Versorgungsamt nicht zuschlagen, sage ich Ihnen. Und seither ist mir durch den Kopf gegangen, daß der Brief wirklich wertvoll sein muß, wenn man diese Ebene bemüht, mir wegen ein paar Erinnerungen die Daumenschrauben anzulegen.«
»Sie können sich glücklich schätzen, daß die dort nichts von dem Brief wissen«, sagte Peter Pascoe, dem der Verdacht kam, daß er eigentlich auch gar nichts davon wissen wollte. »Sie meinen also, er sei wirklich wertvoll? Nur daß Sie niemanden haben, dem sie ihn zu verkaufen wagen – was ihn wertlos macht.«
»Ich habe Sie.«
»Vielleicht. Wieviel wollen Sie dafür?«
Sie sah ihn an wie ein Schweineschlachter auf dem Fleischmarkt.
»500.«
»Nun halten Sie aber den Ball flach! Wer denken Sie, daß ich bin?«
»Vielleicht sollten Sie ja Ihren Mr. Dalziel fragen. Sie sind nur seine Vertretung, hat mir Percy gesagt.«
»Hat er das?« sagte Pascoe. »Dann hat er Ihnen wahrscheinlich auch verraten, daß Mr. Dalziel, wenn er persönlich erschienen wäre, inzwischen nicht nur Ihren Brief in der Tasche, sondern Sie obendrein hinter Schloß und Riegel hätte!«
Aus ihrer Reaktion schloß er, daß Percy Pollock zumindest angedeutet hatte, daß er die sanftere Option sei, denn sie sagte sofort: »Gut. Dann 400.«
»100«, sagte Pascoe.
»300.«
»150.«
»250. Und ich mache Ihnen einen Vorschlag. Sie können den Brief lesen, und wenn er für Sie nicht interessant ist, können Sie ihn mir mit einer Zehn-Pfund-Note zurückgeben, und die Sache ist abgehakt.«
Das war ein Angebot, das schwer abzulehnen war, obwohl ihm das Herz bei dem Gedanken an die Spesenrechnung, die er Dalziel vorlegen mußte, in die Hose sank.
Er sagte: »Ich brauche alles genau belegt. Das heißt, ich will alles wissen, wie der Brief in Ihre Hände kam und alles, was Sie von oder über ihn wissen.«
Sie überlegte und nickte dann.
»Abgemacht«, sagte sie.
»Gut«, sagte er. »Zum Auftakt. Der Besucher der Kohler, wie lautet sein Name?«
»Nicht sein. Ihr«, sagte sie.
»Ihr Name?«
»Richtig. Ihr Name war Marsh. Mavis Marsh.«
Fünf
»… Jeder muß sich auf seine eigene Art durch die Welt bringen. Bei dem einen ist der Weg feucht, beim anderen trocken.«
W ährend der ersten 24 Stunden in New York verließ Cissy Kohler nicht die Wohnung. Die meiste Zeit lag sie auf dem Bett und blies Rauchstränge an die Decke. Jay erhob keine Einwände. Er verbrachte die meiste Zeit am Telefon.
Der Morgen des zweiten Tages verlief ähnlich, nur daß sie dieses Mal, als sie Jays Stimme im Nebenzimmer hörte, den Hörer aufnahm, die Sprechmuschel abdeckte und mithörte.
»Ich sage Ihnen doch, daß sie keine Erinnerungen aufgeschrieben hat, wir haben ihr Zeug durchsucht.«
»Hätte sie sie nicht herausschmuggeln können?« fragte eine männliche Stimme, tief, fast knurrend.
»Vielleicht. Ich bezweifele es aber. Doch das ist wirklich kein Problem. Ich kenne Jungs, denen gibt man ein paar Fakten und eine Woche Zeit, und schon schreiben sie dir ein Zeug, das so authentisch ist, daß selbst sie nicht merkt, daß es nicht von ihr ist.«
»Okay. Solange nicht irgendwo etwas auftaucht. Wir haben unser Geld in die Exklusivität investiert. Man will hier so schnell wie möglich loslegen. Ein paar starke Leute üben ein bißchen Druck aus, nichts, womit wir nicht fertig werden, aber je schneller wir die Sache an die Öffentlichkeit kriegen, um so besser.«
»Wenn Sie zu früh den Mund aufmachen, können Sie sich vor Reportern nicht retten. Das
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