Ins Nordlicht blicken
Futter, jedenfalls einen ordentlichen Beitrag, nicht nur Krabben.« Sven blinzelte mich aus seinen tränigen Augen an und rieb sich die Hände.
»Wir?«
»Na ja, ich. Ich hab ’ne Menge bestellt, Garnelen, Krabben, Lachs, Seewolf, Robbenfleisch, Wal, Tümmler, auch Rentier und Moschusochse, eben alles.« Mit jedem toten Tier schwoll der Stolz in seiner Stimme an. »Auf dem Braedet wird’s nicht viel Auswahl geben. Ich hab das meiste schon im Voraus aufgekauft.«
Der Braedet war der Markt in Nuuk, wo die Jäger und Fischer ihre Waren anboten. Die, die selbstständig waren und nicht für Royal Greenland arbeiteten.
Ich schüttelte unwillig den Kopf. War Sven wirklich so dumm? Das würde doch nie im Leben gut gehen. Wie wollte er denn so viel Zeug auf die Alaska bringen, ohne dass das irgendjemandem auffiel? Dieser Grönemeyer stand doch bestimmt noch unter Beobachtung.
Sven schien meine Gedanken gelesen zu haben. Der Ausdruck seines rötlichen Gesichts wechselte von Stolz zu Gerissenheit. Manchmal erinnerte er mich an meinen Vater. »Die Kontrolleure sind nicht mehr da, das ist sicher. Ist alles hundertprozentig gecheckt«, prahlte er.
»Sicher?«
»Ja. Und alles andere auch. Du kriegst meinen VW-Bus. Wahrscheinlich musst du zweimal fahren.«
»Ich?«
»Du kannst doch fahren, oder irre ich mich?«
Ich kniff die Augen zusammen. Spielte Sven jetzt darauf an, dass ich ein paarmal mitgemacht hatte, wenn Ingvar mit dem Auto seines Vaters losgezogen war? Wir waren durch die Gegend gerast, zusammen mit ein paar anderen Typen, und einer hatte dabei einen ziemlich neuen Volvo im Fjord versenkt. Es war eine blödsinnige Aktion gewesen und ich dachte eigentlich, dass niemand mitgekriegt hatte, wer alles dabei gewesen war. Aber okay, wir waren in Nuuk, da gab es keine Geheimnisse. Und das war ein Grund, warum Svens Geschäfte ihm irgendwann das Genick brechen würden.
»Warum fährst du nicht selbst?«
Sven kratzte sich am Ohr und guckte dümmlich. Ach ja, er war für ein Vierteljahr seinen Führerschein los, weil er sternhagelvoll am Steuer erwischt worden war. Auch das war eines der Geheimnisse, das keines war.
»Aber du hilfst mit beim Kistenschleppen, oder?« Mist, jetzt hatte ich so gut wie zugestimmt, ohne überhaupt über das Ganze nachgedacht zu haben.
»Ich hab anderes zu tun. Für 1500 Kronen kannst du dich schon mal reinhängen, denke ich.«
»1500 Kronen? Das sind ja genau zwei Bienenvölker!«
Sven schaute mich verständnislos an und ich musste lachen. »Sollte ein Witz sein«, sagte ich.
»Verstehe ich nicht. Egal.« Sven streckte mir seine Pranke entgegen und sah mich auffordernd an. »Mittwochmorgen.Du musst aber schon kurz nach Sonnenaufgang bei mir sein.«
»Nur wenn Aqqaluk mitmacht. Und für jeden 1000 Kronen«, sagte ich, »im Voraus.«
Sven zögerte eine Sekunde. Dann schlug er ein. »Abgemacht.«
Seite an Seite gingen wir auf den immer noch im Nebel liegenden Krabbenschuppen zu, die reinste Eintracht. Aber Sven sollte mich nur nicht für blöd verkaufen. Er war einfach zu feige, das Ding durchzuziehen, und schickte lieber mich in die Höhle des Löwen. Ich überlegte kurz, einen Rückzieher zu machen. Doch dann zuckte ich die Schultern. Zweitausend Kronen waren eine Menge Geld. Und wenn sie uns tatsächlich hochnahmen, konnten wir immer noch alles auf Sven schieben und so tun, als hätten wir keine Ahnung, dass die Sache illegal war.
Wegen des Deals mit Sven dachte ich den ganzen Tag keinen einzigen Moment mehr an Spider und unsere Verabredung auf dem Empire State Building. Wozu auch? Das Ganze war ja nichts anderes als ein Joke gewesen. Aber Spider hatte offenbar weniger um die Ohren als ich. Als ich am Abend online ging, war er auch da, und nach ein paar Spielchen kam er auf unser Date zu sprechen.
hast du schon den flug gebucht?
klar. du auch?
logisch
woran erkenne ich dich eigentlich?
man erkennt sich immer, wenn man will
wieso? machst du das öfters?
nein
nun würfel endlich
warte mal. wollen wir uns nicht wirklich mal treffen?
in hamburg. wir könnten ein richtiges bg spielen
hmm
was hältst du davon?
hmm
wovor hast du angst?
vor nichts
neutraler boden. im schachcafé am rübenkamp
vielleicht
samstagabend, 20 uhr?
Mann, dieser Fremde da draußen nahm die Sache wirklich ernst. Ich musste wohl allmählich damit rausrücken, dass ich nicht in Deutschland lebte und ihn leider nicht treffen konnte. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, ihm nicht von Anfang an die
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