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Ins Nordlicht blicken

Ins Nordlicht blicken

Titel: Ins Nordlicht blicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Franz
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lehnte wieder ab. »Vielleicht später«, sagte er.
    Manoli legte ihm die Hand auf den Arm. »Eleni und ich wollten dir einen Vorschlag machen, für das neue Jahr ... Wir dachten, du könntest bei uns arbeiten, die Spätschicht von sechs bis neun übernehmen, dann hätten wir auch mal früher Feierabend.«
    Jonathan sah ihn erstaunt an. Im Kiosk arbeiten? Nie im Leben wäre er auf die Idee gekommen. Aber warum nicht? Er ging gerne in den kleinen, vollgestopften Laden, kaufte für Lloyd dort die Morgenzeitung und schaute sich dabei die Illustrierten an. Und endlich eigenes Geld zu verdienen, wäre auch nicht schlecht. Ihm war es zwar egal, dass Lloyd alles für ihn bezahlte, aber es wäre doch beruhigend, Geld zu haben, das nicht von ihm stammte.
    »Wir haben allerdings noch nicht mit Lutz darüber gesprochen«, meinte Manoli.
    Jonathan musste grinsen. Manoli und seine Frau nannten Lloyd hartnäckig Lutz, seitdem sie einmal für ihn ein Paket angenommen hatten, auf dem sein Taufname gestanden hatte. Sie scherten sich nicht darum, dass er diesenNamen nicht mochte, weil er angeblich wie eine Hundefuttermarke klang.
    »Was sollte er dagegen haben?«, fragte er.
    Manoli machte eine ratlose Geste. Er hatte seit ein paar Tagen das Gefühl, dass Lloyd froh war, dass der Junge ohne ihn so gut wie nie das Haus verließ. Eine Tatsache, die Lloyd eigentlich zunehmend gestört hatte. »Er soll sich nicht so in der Wohnung vergraben«, hatte er noch Anfang des Monats gesagt, als Jonathan selbst bei wunderbarstem Wetter lieber im Atelier bleiben wollte.
    Jonathan konnte Abende damit verbringen, am Klavier zu sitzen, Melodien zu klimpern und sie mit selbst gefundenen Akkorden zu begleiten. Viel mehr Zeit jedoch verbrachte er in dem verlassenen Atelier, wo er alles benutzen durfte, was er vorfand. Er probierte das Werkzeug aus und klopfte an einem der großen Steine herum, bis ihm die Finger wehtaten. Es war ein Serpentin, ein sehr harter Stein, und Jonathan bearbeitete ihn mit einer verbissenen Wut, die Lloyd erschreckte. Zuerst hatte er wahllos Ecken und Kanten geglättet und neue Ecken herausgeschlagen, doch nach und nach war eine Figur entstanden, die nicht nur zufällig war. »Weißt du schon, worauf das hinauslaufen soll?«, hatte Lloyd ihn einmal gefragt und Jonathan hatte unwillig »auf nichts« gemurmelt.
    Manoli wartete immer noch auf eine Antwort. »Was ist, Jonathan? Wie findest du die Idee?«
    »Okay. Ich kann mal drüber nachdenken«, sagte er. »Warum eigentlich nicht?«
    In diesem Moment war vom Flur her Lloyds verärgerteStimme zu hören. Irgendjemand schien in die Wohnung zu wollen, der definitiv nicht eingeladen war. Lloyd wurde immer lauter und Manoli stand auf.
    »Ich schau mal nach, was da los ist«, sagte er. Als er den Flur betrat, versuchte Lloyd gerade, die Wohnungstür zuzudrücken. Doch der Mann vor der Tür schien sich dagegenzustemmen. »Ich hab doch das Bild gesehen! Ich bin doch nicht blöd, du Schwuchtel!«, schrie er. »Du musst doch wissen, wo er ist!«
    »Jetzt reicht’s!« Lloyd knallte die Tür zu und drückte sich mit dem Rücken dagegen.
    »Was wollte der Mann denn?« Manoli musterte Lloyds blasses Gesicht. »Welches Bild meinte er?«
    »Was weiß ich? Er sagt, er hat ein Foto von dem Jungen und mir in der Zeitung gesehen, wo wir beim Richtfest vom Stadion waren.« Lloyd stieß die Luft durch die Nase aus. »Das ist ein Verrückter ... ich hab ihm klargemacht, dass er verschwinden soll«, sagte er, sichtlich bemüht, ruhig zu bleiben.
    »Kanntest du ihn?«
    »Nein.«
    Manoli wollte die Tür öffnen. »Soll ich ihm nachgehen und schauen, ob er wirklich das Haus verlassen hat?«
    »Ach, vergiss es!« Lloyds Blick streifte Jonathan, der neugierig näher gekommen war.
    Manoli zuckte mit den Schultern und zwinkerte Jonathan zu. »Was meinst du, wollen wir Lutz mal erzählen, dass Eleni und ich vielleicht eine neue Aushilfe haben?«
    Lloyd sah ihn irritiert an. »Sprichst du von Jonathan, Manoli?«
    »Ja, er könnte sich ein paar Euro verdienen. Und wir dachten, es würde ihm Spaß machen.«
    »Blödsinn«, sagte Lloyd hart, »das ist nichts für ihn.«
    »Aber du hast doch selbst öfter ...«
    »Halt dich da raus, Manoli!«, zischte Lloyd. Eine Sekunde blieb er unschlüssig an der Tür stehen. Dann ging er ins Wohnzimmer, während Jonathan und Manoli sich fragend anschauten. Irgendetwas schien Lloyd aus dem Tritt gebracht zu haben. Er hatte ein Gesicht gemacht, als säße ihm der Teufel im

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