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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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einem karierten Hemd zu schwarzen Stiefeln. Das lange, fettige Haar mit einem Gummiband zurückgebunden. Er holte sich einen Kaffee und kam an Sams Tisch. Er trug eine Plastiktüte mit dem Namen einer Metzgerei darauf. «Sind Sie der Typ?» fragte er.
    «Tja, schätze schon.»
    Der Fahrer setzte sich ihm gegenüber. Sein Hemd stand fast bis zur Taille offen; dichte, schwarze Brustbehaarung schob die Falten auseinander. Die Hemdsärmel waren aufgekrempelt, wodurch eine Tätowierung sichtbar wurde, die besagte, daß die beste Freundin des Knaben seine Mutter war. Sam dachte, daß seine Mutter es wahrscheinlich gern gesehen hätte, wenn der Typ sich häufiger rasierte. Oder vielleicht war sie ja auch selbst tätowiert. Die Mütter sind heute auch nicht mehr, was sie mal waren.
    «Es ist eine Walther», sagte der Fahrer und deutete mit dem Kopf auf den Plastikbeutel. «Man nennt sie PPK. Ziemlich alt, aber gut in Schuß. Genug Munition für hundertmal ballern.»
    «Woher stammt sie?»
    «Ich weiß nichts», sagte der Fahrer. «Trucker bringen sie aus Polen oder Ostdeutschland mit. Meistens Kalaschnikows - zu groß für Sie. Der Handel blüht, seit die Sowjets den Laden dichtgemacht haben. Ich bin nicht der Chef.»
    «Ich sehe in Ihre Augen», sagte Sam, «und ich weiß, daß Sie nicht der Chef sind.»
    «Geben Sie mir zweihundert Scheine», sagte der Fahrer. «Ich gehe wieder hier raus und lasse das Teil hier. Wenn Sie feilschen wollen, nehm ich den Beutel und verschwinde.»
    «Ich hab was von hundert gehört», sagte Sam.
    «Einen Scheißdreck haben Sie gehört», sagte der Fahrer. «Dafür kann ich nicht einkaufen.»
    «Aber Sie sind nicht der Chef», sagte Sam.
    «Hundertfünfzig, mehr ist nicht drin.»
    «Hundertzwanzig ist das Höchste, was ich Ihnen geben kann», sagte Sam.
    «Ich hab doch gerade gesagt, daß ich Feilschen nicht abkann.»
    «Dann feilschen Sie nicht», sagte Sam. «Verkaufen Sie mir einfach die Kanone.»
    «Scheiße», sagte der Fahrer. «Hundertvierzig.»
    «Wenn ich hundertdreißig sage», sagte Sam, «kommen wir dann zusammen?»
    «Ja. Okay. Schieben Sie die Kohle rüber.»
    «Woher weiß ich, ob sie funktioniert?» erkundigte sich Sam.
    «Das wissen Sie nicht. Sie glauben einfach dran.»
    «Woher kriege ich mehr Munition?»
    «Sie wissen einen Scheißdreck», sagte der Fahrer. «Ich denk drüber nach, ruf Sie von Zeit zu Zeit mal an, höre nach, ob Sie was suchen.»
    Sam schob das Geld über den Tisch. Der Fahrer nahm es und verstaute es irgendwo unter seinem Hemd. «Ich gehe jetzt», sagte der Fahrer. «Sie warten zehn Minuten, bevor Sie gehen.»
    Sam drehte sich eine, steckte sie an und wartete fünf Minuten. Dann nahm er die Plastiktüte und ging.
     
    Er fuhr auf der A64 Richtung Stadt. Er hielt auf einem Rastplatz und nahm die Walther aus dem Beutel. Als der Verkehr dünner wurde, kurbelte er die Seitenscheibe herunter und zielte auf einen etwa zehn Meter entfernten Baum. Er drückte den Abzug. Der Rückstoß riß ihm den Arm hoch. Scheiße, sie funktionierte. Der Baum fiel nicht um oder schrie vor Schmerz auf. Stand einfach stoisch da, als hätte er ein Motto: «Leide und wachse.»
    Sam verstaute die Walther wieder in dem Beutel und zwängte ihn ins Handschuhfach. Verließ schnell den Parkplatz, sang dabei so laut er konnte Motorpsycho Nightmare. dig farmers, don’t shoot me, please.
    Auf dem Weg in die Stadt sagte eine Stimme in seinem Kopf, eine Stimme, die er gelegentlich hörte: «Warum ausgerechnet ein Baum?»
     



Kapitel 23
     
    Frances wollte Graham besuchen. Eine Kerze für ihn anzünden. Wie in seinem Gedicht Eternal Flame of Love.
    Aber der Mann war aufgetaucht. Der Cortina-Mann. Hatte Fragen gestellt. Hatte sich in anderer Leute Sachen eingemischt. Wollte jeden kennenlernen, dem Graham jemals begegnet war. Hatte sich gefragt, ob sie wohl irgendwelche seiner Gedichte gefunden hatte? Waren noch mehr Fotos aufgetaucht? Hatte sich alles aufgeschrieben. Schrieb ganz langsam, in großen Buchstaben, in Druckbuchstaben, so als hätte er keine anständige Schulbildung.
    «Ich muß bald los», sagte Frances zu ihm. «Ich habe eine Verabredung.»
    «Ich werde Sie nicht mehr lange aufhalten», sagte Sam. «Was ist mit seiner Kleidung? Hat er alles mitgenommen?»
    «Nein, ein paar Sachen sind noch da. Sachen, die er normalerweise nicht angezogen hat. Ich hab alles rausgeschmissen, als ich hergezogen bin. Ich dachte, selbst wenn er zurückkommt, will er das alte rote Hemd und die

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