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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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Frauen zogen Kerzen Männern vor. Bei manchen der Typen, denen Sam schon begegnet war, konnte er den Grund verstehen, aber diese Frau hier hatte angeblich eine Verabredung, wozu brauchte sie da also eine Kerze?
    Der schwarze Panda nahm die A64 nach Leeds. Er fuhr schnell, wechselte häufig die Spuren. Nachdem sie die Stadt erreicht hatten, mußte Sam den Abstand verringern, damit er sie auf fremdem Terrain nicht verlor. Aber am Ende war ihr Ziel in Chapeltown dann doch nicht so fremd.
    Er schaffte es, in eine Seitenstraße abzubiegen, als sie anhielt. Er ließ seinen Cortina am Straßenrand stehen und kam gerade rechtzeitig zur Ecke zurück, als Frances die Tür des mit Brettern vernagelten Hauses aufschloß. Hatte sie hier mit Graham gelebt? Sam hatte angenommen, daß diese Wohnung erledigt war. Er hatte sich nicht vorgestellt, daß es sie noch gab oder falls es sie noch gab, hatte er nicht gedacht, daß Frances immer noch Zugang dazu hatte. Wußte die Polizei davon?
    Sie blieb eine Stunde im Haus. Brauchte natürlich die Kerze. Das Haus würde nicht mehr an die Stromversorgung angeschlossen sein. Aber was macht eine Frau eine Stunde lang in einem leeren Haus? War Graham East dort drinnen? Versteckte Frances ihn dort? Aber falls es das war, warum hatte sie dann keine Lebensmittel mitgenommen?
    Die Fragen stürzten so schnell auf ihn ein, daß Sam sie sich notieren mußte. Urplötzlich begann Frances erheblich interessanter zu sein, als sie anfänglich gewirkt hatte. Soweit Sam wußte, hatte sie keine Arbeit. Woher kam also ihr Einkommen? Falls ihr das Haus gehörte, warum vermietete sie es nicht oder verkaufte es?
    Die Antworten auf all diese Fragen mußten im Haus liegen. Er würde eine Möglichkeit finden müssen, in das Haus zu gelangen, ohne Frances Goldings Verdacht zu erregen. Aber aus der Ferne sah es wie eine Festung aus. Als Frances wieder herauskam, beobachtete Sam, wie sie die Tür mit drei verschiedenen Schlüsseln abschloß.
    Sie war eine eigensinnige Frau. Sie kehrte der Tür den Rücken und ging direkt zu dem Panda, schaute nicht einmal nach links oder rechts. Sie schloß den Wagen auf, fummelte mit den Sicherheitseinrichtungen herum und fuhr schnell fort. Sam folgte ihr. Er würde sich das Haus ein anderes Mal ansehen. Wichtiger war im Augenblick, der Frau auf den Fersen zu bleiben. Mal sehen, was sie sonst noch vorhatte.
    Allerdings gab es nicht viel zu sehen. Frances fuhr schnurstracks zurück zu ihrem Haus in York, aktivierte die Alarmanlage ihres Autos und ging hinein.
    Sam wartete eine halbe Stunde, doch sie kam nicht mehr heraus.
     
    «Ich habe alle Notizen gelesen», sagte Gus. «Weißt du, was mir daran auffällt?»
    Sam lochte die rosafarbene Kugel ein und versuchte, die Schwarze von der seitlichen Bande wegzubekommen, verfehlte sie aber um mehr als dreißig Zentimeter. «Sag’s mir», sagte er.
    «Das war ein ausgesprochen beschissener Stoß», meinte Gus und schüttelte den Kopf. «Mein Gott, hier kommen Zwölfjährige rein, die können besser spielen.»
    «Ich kann sie immer noch einlochen», sagte Sam. «Nichts passiert.»
    «Wenn du sie von da einlochst», sagte Gus, «ist das schlicht und einfach Dusel. Kein Mensch würde versuchen, eine Kugel aus der Position einzulochen.»
    Sam beugte sich vor und nahm einen langen, unmöglichen Stoß auf die Schwarze ins Visier. «Unten rechts», gab er an.
    «Ich glaub’s einfach nicht», sagte Gus.
    Vor dem Stoß sah Sam die schwarze Kugel ins Loch rollen. Manchmal ist das Leben so. Es ist ein unmöglicher Versuch, aber genau deshalb macht er’s. Der Spielball streifte die schwarze Kugel, ließ sie die Bande entlang und auf das Loch unten rechts zurollen. «Tja, meine Fresse», sagte Gus.
    Die schwarze Kugel schlingerte um das Loch, verharrte einen Augenblick und gab dann auf. «Geschieht dir gottverdammt recht», sagte Gus und trat an den Tisch. Er lochte die Schwarze schnell selbst ein, dann warf er Sam einen seiner des Lebens überdrüssigen Blicke zu.
    «Ich hätte abgeben sollen», sagte Sam.
    Vier andere Tische waren besetzt, standen über den Raum verteilt in Lichtpfützen. An der Bar unterhielten sich eine Gruppe Männer und zwei Frauen. Zwischen der Bar und dem eigentlichen Spielsaal befand sich eine gläserne Trennwand, und auch wenn die Zechenden laut und lebhaft wirkten, war doch nicht ein Wort von dem zu hören, was sie sagten. Sie wirkten dennoch ablenkend, und Sam merkte, daß er zu der Gruppe hinüberschaute und verärgert war.

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