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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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Stiefel, die unbedingt repariert werden mußten, bestimmt nicht mehr haben.»
    «Finden Sie es nicht auch merkwürdig, daß die Polizei ihn bislang noch nicht gefunden hat?»
    «Nein», sagte Frances. «Ich glaube, er ist in Neuseeland. Er würde nicht zurück nach Wellington gehen. Er könnte praktisch überall dort unten sein. Als er Wellington zum ersten Mal verlassen hat, ist er kreuz und quer durchs Land gereist. Er hat alle ursprünglichen Siedlungen besucht, hat bei alten Leuten gewohnt, Leute, die ihm von früher erzählen konnten. Ich glaube, das macht er jetzt auch.»
    «So was wie Nachforschungen?»
    «Sie verstehen Graham nicht», sagte Frances. «Er ist ein Dichter. Er ist ein Träumer. Wenn Sie weiter immer nur denken, daß er ein Mörder ist, werden Sie ihn nie finden. Er hat mal zu mir gesagt, wenn du mich jemals brauchst und mich nicht finden kannst, dann such eine einzelne Blume in einer großen Wüste.»
    «Was bedeutet das?»
    «Für ihn ist die Welt ein unwirtlicher Ort. Die Wüste, die Blume, das sind Dinge, zu denen er eine Beziehung finden kann. Tiere, Pflanzen, die Erde selbst sind würdig. Menschen sind der Feind. Die Natur ist unterhöhlt von Menschen. Von Menschen und von Denken.»
    «Also wird er irgendwo auf dem Land sein?»
    «Er hat das Leben in Leeds gehaßt», sagte Frances. «Lange Zeit ist er nicht aus dem Haus gegangen.»
    «Hatten Sie Nachbarn dort? Jemanden, den er vielleicht gekannt hat? Mit dem er geredet hat?»
    Frances schüttelte den Kopf. «Wir sind unter uns geblieben.»
    «Okay», sagte Sam. «Tut mir leid, daß ich Sie aufgehalten habe. Ich muß alle Möglichkeiten ausloten.» Er stand auf, um zu gehen.
    Frances nahm einen Schlüsselring mit drei Schlüsseln und eine Kerze vom Tisch und legte alles in ihre Handtasche. «Ich begleite Sie hinaus», sagte sie. «Ich bin spät dran.»
    Sie sah den Mann in seinen Wagen steigen. Als sie mit ihrem kleinen schwarzen Panda losfuhr, schien er noch Schwierigkeiten zu haben, den Cortina zu starten.
     
    Frances fuhr nach Leeds. Das Haus nahe am Potternewton Park wirkte trostlos. Sie hatte die Fenster mit Brettern vernageln lassen. Hausbesetzer waren in diesem Viertel ein Problem. Diese Leute glaubten, ihnen gehöre alles. Sogar die rechtmäßigen Nachbarn waren durchaus fähig einzubrechen, sich zu nehmen, was sie haben wollten, und alles andere zu zerschlagen. Frances kam wenigstens einmal pro Woche vorbei, um sich zu vergewissern, daß alles in Ordnung war. Sie machte die Alarmanlage des Autos scharf. Rastete das Lenkradschloß ein. Nahm ihre Handtasche und ging mit ihren Schlüsseln zum Haus. Ein Schlosser hatte in ihrem Auftrag drei Schlösser eingebaut. Hatte ihr 65 Pfund berechnet und gesagt, sie wäre eine kluge  Frau. Sie schloß auf und drückte die Tür hinter sich zu.
    Die meisten Zimmer waren leer. Hier und da ein paar Möbelstücke. Der eine oder andere Karton mit altem Plunder. Nichts, das Frances irgend etwas bedeutete. Nichts Wichtiges.
    Sie steckte die Kerze an, öffnete die Falltür in den Keller und stieg die wacklige Treppe hinab. Der Kellerboden fiel in eine Ecke ab, und diese Ecke des Kellers stand mehrere Zentimeter tief unter Wasser. Auf der höhergelegenen Seite des Kellers befand sich ein Tisch und ein Stuhl. Frances stellte die Kerze auf den Tisch und setzte sich auf den Stuhl vor die Ziegelwand.
    Mehrere Minuten saß sie schweigend da, dann sagte sie: «Tja, Graham, mein Liebling, alles verläuft nach Plan.»
    Aber das Wunderbare daran, mit Graham zusammenzusein, war, daß er das Reden übernahm, daß er das Denken übernahm. Er wußte alles. Er wußte sogar von dem Mann in dem Cortina. Wußte davon, auch wenn es erst vor nicht mal einer Stunde passiert war. Einblick, das war es, was Graham hatte. Einblick und Einfühlungsvermögen. Er war der liebenswürdigste Mensch, der jemals auf dieser Erde gewandelt war. Ein Mann, der zwar schreckliche Bürden, aber mit Würde trug. Frances würde immer bei Graham sein. Solange sie lebte, würde niemand sonst ihr so viel bedeuten wie er. Er war liebevoll und treu. Er liebte sie, und sie war alles für ihn.
     

Kapitel 24
     
    Sam hielt einen größeren Abstand, folgte dem Panda aber bis nach Leeds. Er hatte sich ursprünglich heute nachmittag mit Gus treffen wollen, aber als er sah, wie Frances Golding eine Kerze in ihre Handtasche legte, um zu einer Verabredung zu gehen, hatte er es sich anders überlegt. Wozu sollte sie eine Kerze benötigen?
    Verdammt, manche

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