Ins offene Messer
Stabsoffiziere. Als diese hier neu gewesen war, wer weiß, wer sie benutzt hatte? Wahrscheinlich war sie während des Krieges durch ganz Europa gereist.
Eine Bewegung auf der Treppe. Gus schlug das Buch zu und ging in den Flur. Die Blondine kam die Treppe herunter und sah beschissen aus. Erstklassige Scheiße, aber trotzdem ganz eindeutig hundsmiserabel. «Mit Ihnen alles okay?» fragte er.
Sie rieb sich mit beiden Händen die Augen, hob dabei eine Idee den Morgenmantel. Darunter etwas, das wie ein blaues Nachthemd aussah. «Ein schlechter Traum», sagte sie. «Ich konnte nicht mehr einschlafen. Wie spät ist es?»
«Vier, kurz nach.»
Sie schwebte an ihm vorbei ins Wohnzimmer, setzte sich aufs Sofa und schlug die Beine unter. «Sam ist weg?»
«Ja, vor ein paar Stunden.»
Einen Augenblick schwieg sie, wurde langsam wach, wirkte seltsam verletzlich, so als stecke sie nicht ganz in ihrem Körper. Gus ließ sich in den Sessel gegenüber sinken und fragte sich, wie es wohl mit ihr sein würde, auch wenn er genau wußte, daß er nicht ihr Typ war. Sie hatte Höheres im Sinn. Ein Typ, der sie haben wollte, mußte entweder Geld oder etwas anderes besitzen, das sie brauchte. Was immer es war, er wußte, daß er es nicht hatte. Sie schaute zu ihm auf und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. «Kennen Sie ihn schon lange?»
«Schon eine ganze Weile», sagte Gus und dachte, Informationen, das ist es, was sie will. «Zehn Jahre. Hab ihn bei einem Dylan-Konzert kennengelernt.»
«Er hat neulich abends eine Cassette gehört», sagte sie. «Nett. Allerdings ein bißchen altmodisch.»
Gus zuckte die Achseln. «Sie wollen alles neu?»
Jane lächelte, schüttelte den Kopf. «Ich nehme, was kommt. Ich finde ihn interessant. Sam, meine ich.»
«Er gefällt Ihnen?»
«Ja, ich denke schon. Er hat was.»
«Ja, diese Wirkung hat er auf Frauen. Ich persönlich weiß nicht, was das ist. Er ist ein guter Kumpel, zuverlässig. Er kann außerdem lachen. Finden Sie ihn attraktiv?»
«Es ist keine große Sache», sagte sie. «Ich werde es Ihnen nicht sagen, denn dann laufen Sie doch schnurstracks zu Sam und sagen, hey, Jane Deacon findet dich gut.»
Gus lachte. «Würd ich wahrscheinlich», sagte er. «Aber das wird er ohnehin schon wissen. Wird’s nicht von mir hören müssen.»
«Er weiß es», sagte sie. «Aber er handelt nicht entsprechend. Zeigt es nicht.»
«Das ist Sam», sagte Gus. «Er wartet gern, bis der Apfel reif ist. Manchmal kauft er sich eine neue Cassette, hört sie sich eine ganze Woche nicht an. Er liest die Titel, sämtliche Informationen. Er nimmt die Cassette oft in die Hand und sieht sie an, berührt sie, Sie wissen schon, spürt sie. Ein paar Tage später hört er sie sich dann an. Vor über einem Jahr habe ich ihm ein neues Queue gemacht. Es gefällt ihm wirklich, aber bislang hat er noch nicht damit gespielt!»
«Oh, mein Gott», sagte Jane. «Kommen Sie in einem Jahr noch mal vorbei. Ich gebe Ihnen dann den aktuellen Bericht über den Stand der Dinge. Was ist mit Ihnen? Sind Sie verheiratet?»
«Verheiratet?» wiederholte Gus. «Nein. Ich habe eine Lebensgefährtin. Sie heißt Marie. Wir sind schon ein paar Jahre zusammen. Sie ist Krankenschwester.»
«Nett», sagte Jane. «Es macht ihr nichts aus, daß Sie nachts arbeiten?»
«Das ist nur vorübergehend», sagte Gus. «Sie hat jede dritte Woche auch Nachtdienst. Man gewöhnt sich dran.»
«Was schlagen Sie also vor? Wegen Sam? Mache ich irgendwas falsch?»
«Fragen Sie ihn», sagte Gus. «Er wird Ihnen die Wahrheit sagen.»
«Er ist verheiratet gewesen? Das stimmt doch, oder?»
«Mehrere Male. Die letzte war eine echte Katastrophe. Eine Frau namens Brenda, die war nur aufs Geld aus. Bin nie dahintergekommen, warum sie Sam geheiratet hat. Er hatte noch nie Geld.»
«Und die erste?»
«Sie hieß Donna», sagte Gus. «Sam spricht nicht viel von ihr. Ich hab sie nie kennengelernt. Sie hatten eine Tochter. Sie war noch ein Kleinkind, als Donna und die Tochter bei einem Unfall mit Fahrerflucht getötet wurden. Das Kind war sofort tot, aber Donna hing noch eine Weile an einem Lebenserhaltungssystem. Am Ende hat Sam sie gebeten, die Maschine abzuschalten.»
«Muß ganz schön hart gewesen sein», sagte Jane.
Gus nickte. «Sam», sagte er, «ist auf schlechte Autofahrer ausgesprochen schlecht zu sprechen. Sobald jemand die Geschwindigkeitsbegrenzung überschreitet, sieht er rot. Und betrunkene Fahrer, ich glaube, die würde er am liebsten
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