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Ins offene Messer

Ins offene Messer

Titel: Ins offene Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Baker
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sagte er. «Gestern hat dann dieser Typ auf der Arbeit geheiratet. Wir sind zusammen zum Essen ausgegangen und haben ein paar Gläschen getrunken, deshalb bin ich erst gegen Mitternacht nach Hause gekommen.» Er trank einen Schluck Kaffee. «Das tut gut», sagte er. «Ich war praktisch sternhagelvoll. Sie müssen wissen, daß ich normalerweise nichts trinke. Auf dem Nachhauseweg mußte ich mich an den Hauswänden abstützen. Habe alte Songs gesungen. Jean wußte, daß ich spät kommen würde, und ich dachte, sie würde auf mich warten. Sie würde zwar stoned sein, wissen Sie, aber sie würde auch warten.
    Als erstes ist mir dann aufgefallen, daß kein Licht brannte. Also dachte ich, sie wäre schon ins Bett gegangen, und ich habe gedacht, sei still, versuch, leise zu sein, weck sie nicht auf. Ich krame eine Ewigkeit nach meinem Schlüssel, und als ich ihn dann endlich gefunden habe, da läßt er sich im Schloß nicht drehen, weil nämlich die Tür gar nicht abgeschlossen war. Ich frage mich dann, was das zu bedeuten hat, denn Jean würde auf keinen Fall ins Bett gehen, ohne vorher die Haustür abgeschlossen zu haben. Ich meine, da wo wir wohnen, da macht man so was einfach nicht. Die ganze Nacht schleichen junge Burschen die Straße rauf und runter, probieren einfach alle Türen aus, sehen nach, ob sie vielleicht Glück haben.
    Jedenfalls, ich werde mißtrauisch, weil die Tür nicht abgeschlossen ist, und gehe rein. Auf Zehenspitzen schleiche ich durchs Zimmer. Dann bleibe ich mit dem Fuß an irgendwas hängen. Und eh ich mich versehe, liege ich der Länge nach auf dem Boden. Beim Stürzen versuche ich, mich im Dunkeln an irgendwas festzuhalten, und erwische die Stereoanlage, die ich dann auch herunterreiße, das Regal und die Cassetten und die LPs gleich mit. Außerdem bin ich nicht der einzige da unten auf dem Fußboden. Ich denke, wahrscheinlich bist du über Jeans Rock gestolpert, und ich liege platt auf ihr.
    Zu dem Zeitpunkt weiß ich allerdings noch nicht, daß sie es ist. Ich weiß, daß es irgendein Körper ist, und ich merke, daß er kalt ist. Also werde ich schlagartig nüchtern. Einfach so. Plötzlich bin ich nicht mehr betrunken, also, wenigstens nicht im Kopf. Meinen Körper kann ich immer noch nicht kontrollieren, aber im Kopf bin ich so klar wie nur was. Ich stoße die Stereoanlage von mir runter und taste; mich zum Lichtschalter vor. Jesus. So was hab ich mein Leben noch nie gesehen.»
    Sam dachte, Blackburn würde wieder zu weinen beginnen, seine Unterlippe bebte, aber er holte tief Luft und fuhr fort. «Ich hatte im Kopf immer noch nicht alles auf die Reihe bekommen, wissen Sie, daß sie tot war. Ich weiß nicht, was ich dachte. Ich dachte so was wie, sie hat vielleicht zu viele Joints geraucht und ist dann ohnmächtig geworden und zusammengebrochen. Zuerst hab ich das Blut nicht gesehen, wegen der Cassetten und LPs, die über den ganzen Boden verstreut lagen. Erst als ich mich hingekniet habe, als ich angefangen habe, den ganzen Müll von ihr runterzuräumen, um sie herum, da habe ich den Zettel in die Hand genommen. Hab das Blut darauf gesehen, habe gelesen, was da stand.»
    Gus sagte: «Jean Blackburn verdient den Tod.»
    Der Bursche nickte. «Granger. Da stand, Jean Granger, ihr Mädchenname.» Blackburn brach jetzt zusammen, fing wieder an zu heulen. Sam und die anderen warteten, bis er sich einigermaßen im Griff  hatte.
    Als er aufschaute, sagte Sam: «Sie machen das schon. Lassen Sie sich Zeit. Was ist dann passiert?»
    «Ich bin nicht sicher», sagte Blackburn. «Ich bin da raus. Ich bin einfach aus der Tür, raus und die Straße runtergelaufen. Ich habe einen Bullen gesucht, aber man findet ja nie einen, wenn man einen braucht. Irgendwann habe ich dann einen Streifenwagen angehalten, und die sind mit mir zurück zum Haus gefahren, und dann war die Hölle los. Da waren so viele Polizeiwagen, man konnte die Straße nicht mehr runterkommen. Nachbarn kamen heraus, Funkgeräte krächzten, Polizeiärzte, das ganze Drum und Dran eben. Man hat mich mit aufs Revier genommen, und die meiste Zeit habe ich dort mit jemandem namens Delany und noch drei anderen Typen gesprochen.
    Die dachten, ich hätte es getan. Ich war über und über mit Blut verschmiert, also muß es für sie offensichtlich gewesen sein. Erst als ihnen klar wurde, daß sie schon ungefähr acht Stunden tot war, was bedeutete, daß ich noch auf der Arbeit war und zwei Dutzend Zeugen dafür hatte, erst da fingen sie an, etwas

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