Insektenstachel
»Aber wir fragen uns, weshalb wir immer zuerst mit unseren Ergebnissen aufwarten sollen, während du deine Informationen bis zuletzt für dich behältst.«
»Ganz genau«, stimmte Peter zu. »Ausnahmsweise bist du heute mal an der Reihe, uns zuerst mit Neuigkeiten zu versorgen, bis Bob und ich die Katze aus dem Sack lassen.«
Justus tat so, als ließe er sich durch diese Äußerungen nicht im Geringsten provozieren. Dennoch kostete es ihn Mühe, gelassen zu wirken. »Bitte. Warum nicht?« Unruhig trommelten seine Finger auf die Stuhllehne. »Es ist so, wie ich es mir gedacht habe. Dr. Woolley hat mir bestätigt, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem Moskitostich infiziert zu werden, der zudem auch noch eine gefährliche Schlafkrankheit überträgt, beinahe tausendmal geringer ist als die Möglichkeit, einen Haupttreffer im Lotto zu erzielen.
»Aber ausgeschlossen ist es nicht?«, hakte Peter skeptisch nach.
»Wenn man sich vergegenwärtigt, dass an der Schlafkrankheit Erkrankte in unserem Land sofort unter Quarantäne gestellt, in Krankenhäusern also auf die Isolierstation verlegt werden, in denen sie das Leiden auskurieren, kann man sich vorstellen, wie gering die Ansteckungsgefahr im Grunde ist. Da aber ein Moskito erst einen Infizierten gestochen haben muss, um durch einen weiteren Stich den nächsten Menschen zu infizieren, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung immer mehr.«
»Wenn ich mich recht entsinne, sprachen die Ärzte im Krankenhaus aber von einer bislang unbekannten Seuche, die die Menschen in einen komaartigen Tiefschlaf versetzt!«, rief Peter dem Ersten Detektiv ins Gedächtnis zurück.
»Reine Wortklauberei, Kollege. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass Mrs Hazelwoods Moskitostich genauso harmlos ist wie ein Schluck saure Milch. Was immer sie da erleidet, eine Stechmücke zeichnet sich dafür nicht verantwortlich.«
»Was soll das heißen, Just?«, erkundigte sich Bob auf das Äußerste gespannt.
»Vor uns steht ein Rätsel, das es zu lösen gilt.«
»Nicht nur eins. Denn was ich heute von Mr Collins erfahren habe, wirft weitere Fragen auf.« Peter strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ihr werdet es kaum für möglich halten, aber der Imker behauptet steif und fest, die Latten an der Rückwand des Geräteschuppens nicht herausgerissen zu haben, wie Mrs Hazelwood vermutete. Seiner Aussage nach lagen die Bretter bereits auf dem Boden, als er den Schuppen das erste Mal betrat. Das Hornissennest befand sich nämlich hinter dem Holzverschlag unter dem Schrägbalken.«
»Das verstehe ich nicht. Laura behauptete doch, das Nest wäre hinter der Gartenschlauchtrommel gewesen.« Mit einem Zipfel seines T-Shirts polierte Bob nervös die Gläser seiner Sonnenbrille.
»Eben drum«, bestätigte Peter. »Einer von den beiden spricht nicht die Wahrheit. Entweder hat uns Laura aus mir unerfindlichen Gründen eine faustdicke Lüge aufgetischt, oder Mr Collins spielt mit gezinkten Karten.«
»Warum sollte er das tun?«, warf Bob in die Diskussion ein.
»Gegenfrage: Warum sollte uns Laura eine Lüge auftischen?« Justus rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. »Immerhin wurde sie das Opfer dieser angriffslustigen Hornissen. Mal ganz davon abgesehen, dass diese Viecher wohl im ganzen Schuppen herum flogen und sie kaum erfassen konnte, wo genau sich das Nest befand. Dennoch bliebe zu klären, wer die Latten der Rückwand herausgerissen hat. Denn außer Mr Collins und Laura spukt mir noch eine andere Person im Kopf herum.«
»Du sprichst von Mrs White, Erster?«, vergewisserte sich Peter.
»Genau. Mrs Hazelwoods Lehrerin für Blindenschrift. Die Person, die aus mir unerfindlichen Gründen in dem Haus an völlig abwegigen Stellen nach ihrer Brieftasche gesucht und sie dennoch nicht gefunden hat.«
Bob geriet in Wallung. »Nicht zu vergessen ihre Lauschaktion an der Schlafzimmertür! Von ihren unhaltbaren Verdächtigungen mal ganz abgesehen. Meiner Meinung nach ist sie die Verdächtige Nummer eins!«
»Verdächtige Nummer eins – schön und gut, Bob.« Peter kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Die Frage lautet nur: Welchen Vergehens hat sie sich verdächtig gemacht?«
»Die Sache liegt doch ganz klar auf der Hand. Irgendetwas geht in Mrs Hazelwoods Haus nicht mit rechten Dingen zu. Die düsteren Vorahnungen unserer Klientin scheinen plötzlich Wirklichkeit zu werden: Möbel werden verrückt, Moskitos stechen zu und immer wieder erscheint Mrs White auf der Bildfläche,
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