Insel aus Stein: Mittsommerglück (German Edition)
doch die Engländerin war weit zäher, als er angenommen hatte.
Aber wie um alles in der Welt konnte er sie davon abbringen, weiterhin darauf zu drängen, sich sein neues Manuskript anzusehen? Er ahnte, dass sie bereits zu der Überzeugung gekommen war, dass er bislang nicht einmal das erste Kapitel des Romans fertiggestellt hatte. Selbst sein Agent Carl hatte bereits begonnen, argwöhnische Fragen zu stellen.
Sie hatten ja alle gar keine Ahnung, wie sehr sie sich täuschten!
Dale ließ seinen Blick verzweifelt durch den Raum schweifen. Was sollte er bloß tun?
Ihm blieb nur, Cassie Dorkins so gut wie möglich von ihrem Vorhaben abzulenken und weiterhin auf ein Wunder zu hoffen. Und vielleicht war Malins Idee, einen Ausflug mit der jungen Lektorin zu unternehmen, am Ende sogar gar nicht mal so schlecht.
Es würde sie hoffentlich wenigstens für eine Weile auf andere Gedanken bringen.
3. KAPITEL
D er Tag war geradezu perfekt für einen Bootsausflug. Dale stand am Bug der
Skägård
, den Fahrtwind im Haar, und schaute über das von Sonnenreflexen leuchtende Wasser.
Die Skägård hatte zwar schon einige Jahre auf dem Buckel, aber fuhr noch immer tadellos. Etwas, worauf Dale nicht ohne Grund stolz war, denn er hatte das alte Fischerboot mit seiner eigenen Hände Arbeit instand gesetzt, nachdem er es im Hafen von Värholm entdeckt hatte.
Genau genommen hatte Annika es zuerst gesehen und ihn darauf aufmerksam gemacht. Sie war es auch gewesen, die ihn davon überzeugt hatte, es dem damaligen Besitzer für ein paar Kronen abzukaufen. Irgendwie hatten sie es geschafft, den lecken Kahn bis nach Svergå zu schleppen, wo er für die nächsten Jahre auf einem improvisierten Trockendock lag.
Dale hatte nie die Zeit gefunden, sich näher mit der Skägård zu befassen. Nicht bis zu dem Tag, an dem Annika von ihm gegangen war. Wie ein Besessener hatte er sich in die Arbeit gestürzt und nicht geruht, ehe der marode Kutter wieder seetüchtig war. Doch auch das hatte ihm seine geliebte Frau nicht zurückgebracht. Nichts und niemand auf der Welt konnte das. Dennoch betrachtete er die Skägård als ihr Vermächtnis. Für ihn war es Annikas Boot.
Vielleicht war es ein Fehler gewesen, es heute zu benutzen. Er hätte auch das kleine Motorboot nehmen können, das für einen kurzen Trip durch die Umgebung allemal ausreichend gewesen wäre. Doch er hatte Cassie Dorkins an Bord der Skägård gebracht. Warum, wusste allein der Himmel.
“Was ist das für eine hübsche Insel dort hinten?”
Widerwillig blickte Dale sich um. Cassies pechschwarze Locken wirkten verführerischer als sonst, und ihr Gesicht war leicht gerötet.
“Welche Insel meinen Sie?”, fragte er betont desinteressiert.
Sie deutete auf die kleine, mit lichten Birkenwäldchen bewachsene Schäre, die sich nur ein paar Meilen von Svergå entfernt aus der Ostsee erhob. Bei ihrem Anblick wurde Dale das Herz schwer. Er kannte diese Insel besser als irgendein anderer Mensch. Sie war unbewohnt. Zwar befand sich auf der zum Festland gerichteten Seite eine kleine verfallene Fischerhütte, aber dort lebte schon seit vielen Jahren niemand mehr.
“Das ist Söderland”, murmelte er und wandte rasch den Blick ab. Ole, der die ganze Zeit über ruhig neben seinem Herrchen gestanden hatte, stieß ein leises Winseln aus und rieb seine Schnauze an Dales Hand.
“Ist es möglich, die Insel mit dem Boot anzulaufen?”, wollte Cassie wissen.
Dale schüttelte den Kopf. “Nein, sie befindet sich in Privatbesitz, und der Inhaber sieht es gar nicht gern, wenn sich Fremde auf der Insel herumtreiben.”
Was er nicht erwähnte, war, dass sich die Besitzurkunde für Söderland im untersten Fach seines Schreibtisches in seinem Arbeitszimmer befand. Was ging es Cassie auch an? Außer Malin und seinem Notar wusste kein Mensch vom wahren Zweck, den die kleine Schäre erfüllte, und niemand außer Dale selbst setzte je einen Fuß darauf. Nicht, seit jenem Tag, an dem …
Die Flut der Erinnerungen brach über ihn herein, ehe er sich dagegen wappnen konnte. Wie unter Schmerzen krümmte er sich zusammen. Die alten Wunden, die niemals richtig verheilt waren, brachen wieder auf, und er fühlte sich zurückversetzt in eine Zeit, an die er sich lieber nicht mehr erinnern wollte und die er doch wohl niemals würde vergessen können.
“Geht es Ihnen nicht gut?”
Cassies Stimme riss ihn in die Realität zurück. Als er sich zu ihr umdrehte, blinzelte er irritiert. Für einen Augenblick war ihm,
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