Insel, aus Traeumen geboren
du mir nicht erzählt hast, was dich bedrückt hat. Du hast jedes Gespräch abgelehnt!“
„Das stimmt nicht!“, protestierte sie. „Ich habe doch die ganze Zeit geredet!“
„Nicht über das, was wichtig war. Nicht über das Baby, das wir nicht bekommen konnten. Nicht über die Urlaubsreisen, die wir nicht mehr zusammen machten. Nicht darüber, dass wir uns keine Zeit mehr füreinander nahmen. Nicht über den Groll, den du bei meiner Promotion auf mich hattest.“
„Ich war stolz auf dich, aber …“
„Aber was?“
„Ich war auch neidisch, das gebe ich zu. Ich wollte ebenfalls Universitätsprofessorin werden und Freiraum für neue Forschungsprojekte haben. Dir ist das alles in den Schoß gefallen.“
Ihre Stimme klang so traurig, dass Jack sie kurz in die Arme nahm.
„Du hast mir vorgeworfen, arrogant und selbstsüchtig zu sein“, erinnerte er sie.
„Das hätte ich nicht sagen sollen.“
„Doch, du hattest recht. Ich war ein Egoist. Du hast es mir leicht gemacht, erfolgreich zu sein. Ohne deine Unterstützung hätte ich es nie geschafft. Und ich habe mich dafür nicht einmal bei dir bedankt.“
„An der Universität von Kalifornien bist du auch ohne mich bestens klargekommen.“
„Das dachte ich zunächst auch. Erst jetzt ist mir bewusst geworden, wie leer mein Leben seitdem war. Natürlich hatte ich meine Arbeit, doch abends war niemand da, mit dem ich darüber hätte reden können. Da war keine Olivia mehr.“
„Jack, ich muss dich etwas fragen.“
„Wegen der Scheidung?“
„Ja. Warum hast du die Papiere nie unterschrieben?“
„Ich habe es nicht fertiggebracht. Ich konnte unsere Ehe nicht aufgeben, ohne noch einen Versuch zu machen, sie zu retten.“
„Deshalb also diese Expedition?“
„Nicht nur. Da war auch noch dieses Grab.“ Sein Lachen klang unecht. „Ich musste eine Ausgrabungsstätte finden, mit der ich dein Interesse wecken konnte.“
„Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, aber bevor ich abreiste, habe ich das Haus zum Verkauf ausschreiben lassen.“
„Unser Haus? Du willst unser Haus veräußern?“
„Es ist mein Haus“, betonte sie. „Das hast du selbst bestätigt, bevor du gegangen bist.“
„Damals habe ich eine Menge Dinge von mir gegeben, die ich so nicht gemeint habe.“
„Zum Beispiel, dass ich zu empfindlich sei, zu zart besaitet, zu verkrampft.“ Seine Worte hatten sie verletzt, das konnte sie nicht leugnen.
„Ich habe gehofft, du hättest es vergessen. In dem Moment, in dem ich es ausgesprochen habe, hat es mir bereits leidgetan. Ich habe dich vermisst, Olivia. Du ahnst nicht, wie sehr.“
„Jack, ich will nicht lügen. Ich war froh, dass du gegangen bist. Diese ganze Anspannung hat mich fertiggemacht. Es war nicht deine Schuld, zumal ich wusste, wie sehr du dir ein Kind gewünscht hast. Miteinander zu schlafen war zur Pflichtübung geworden. Alles, was du gesagt hast, habe ich als Kritik empfunden. Ich könnte niemals mehr zu unserem alten Leben zurückkehren. Deshalb will ich das Haus loswerden. Dein Arbeitszimmer, deine Schränke und Bücherregale – alles, was mich an das Scheitern unserer Ehe erinnert.“
„Ich hatte auch nicht im Sinn, unser altes Leben wieder aufzunehmen. Ich wollte etwas Neues mit dir beginnen.“
„Ist es dafür nicht zu spät?“, fragte sie leise. Selbst wenn sie sich versöhnen sollten, würden sie nicht mehr lebend aus diesem Tunnel herauskommen.
Jack schwieg. Was hätte er auch antworten sollen? Er wusste ebenso, dass ihre Chance, noch rechtzeitig gerettet zu werden, gleich null war.
Olivia konnte ihn nicht sehen, doch sie spürte seine Hüfte an ihrer und seine Hand auf ihrer Schulter. Wenn sie schon sterben musste, dann zusammen mit Jack, egal, wie sehr er sie damals verletzt hatte.
„Ich möchte dir noch einmal versichern, wie leid mir das alles tut“, sagte er heiser.
„Dass du mich hierhergebracht hast? Diese Grabkammer ist die Sache wert gewesen. Wenn ich die restliche Schrift hätte entschlüsseln können, wüssten wir jetzt, wer hier begraben liegt.“
„Wenn wir also nicht mehr hier herauskommen …“
Olivias Lippen begannen zu beben. Wenn selbst Jack daran zu zweifeln begann, gab es tatsächlich keine Hoffnung mehr. „Du hast immer gesagt, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“
„Diesmal bin ich zu weit gegangen.“
„Nein, du hast richtig gehandelt. Das habe ich schon immer an dir bewundert – deine Bereitschaft, alles zu riskieren, um ein bestimmtes Ziel zu
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