Insel der blauen Delphine
waren so stark, dass ich nicht länger auf dem Felsen schlafen konnte. Ich nahm meine Seegrasbündel und schichtete sie am Fuße des Steinblocks auf. Und damit die wilden Hunde mich in Ruhe ließen, zündete ich ein Feuer an, das die ganze Nacht hindurch brannte. So verbrachte ich fünf Nächte. In der ersten Nacht kamen die wilden Hunde nahe an den Lichtkreis, den das Feuer in die Dunkelheit warf, heran. Ich tötete drei mit meinen Pfeilen, doch der Anführer war nicht unter ihnen. Danach blieb es ruhig. Am sechsten Tag, als der Sturm abflaute, ging ich zu der Stelle, wo wir die Kanus versteckt hatten, und ließ mich am Seil über die Klippenwand hinuntergleiten. Dieser Teil der Küste war vor dem Wind geschützt. Die Kanus lagen noch genau so da, wie wir sie zurückgelassen hatten. Die getrockneten Abalonen waren in gutem Zustand. Ich leerte die Körbe mit dem schal gewordenen Trinkwasser und kehrte damit zur Quelle zurück, wo ich sie mit frischem Wasser füllte. Während des Sturms hatte ich einen Entschluss gefasst. Ich wollte mir ein Kanu nehmen und nach dem Land fahren, das im Osten lag. Auf dem Weg zur Quelle fiel mir ein, wie Kimki mit seinen toten Ahnen gesprochen und sie um Rat gefragt hatte, ehe er sich auf die große Reise machte. Kimkis Ahnen waren vor vielen Menschenaltern von jenem Land im Osten her übers Meer gekommen. Er hatte auch Zuma, den Medizinmann, der Macht besaß über den Wind und die Meere, um Rat gefragt. Ich konnte weder das eine noch das andere tun. Zuma war im Kampf mit den Aleutern gefallen, und was die Toten betraf, so hatte ich es nie fertiggebracht, mit ihnen zu reden, wenngleich ich es immer wieder versuchte. Dennoch wäre es falsch zu sagen, ich hätte Angst gehabt, als ich dort an der Küste stand. Meine Vorfahren hatten in ihren Kanus das Meer überquert, von dem Land hinter dem Horizont bis hierher zur Insel. Auch Kimki war übers Meer gefahren. Von Kanus verstand ich zwar nicht halb so viel wie jene Männer, aber ich muss gestehen, dass mir nicht ernstlich bangte vor den Dingen, die mir auf meiner Fahrt zustoßen konnten. Alles war leichter zu ertragen als dieses Alleinsein auf der Insel, ohne Familie, ohne Gefährten, von wilden Hunden bedroht und, wo ich ging und stand, verfolgt von der Erinnerung an die, die gestorben oder die fortgegangen waren. Vier Kanus lehnten an der Klippe. Ich suchte mir das kleinste aus. Es war immer noch schwer genug, denn es war für sechs Personen gebaut. Als Erstes musste ich das Kanu über die Geröllhalde ins Wasser schieben, vier bis fünf Kanulängen weit. Zu diesem Zweck räumte ich alle großen Steine zwischen dem Kanu und dem Wasser weg. Die Löcher füllte ich mit Kieseln und den so entstandenen Pfad bedeckte ich mit langen Streifen von nassem Salzkraut, das eine glitschige Oberfläche bildete. Die Halde fiel ziemlich steil ab, und nachdem ich das Kanu einmal in Bewegung gebracht hatte, glitt es, von seinem eigenen Gewicht getrieben, über das Salzkraut hinunter ins Wasser. Die Sonne stand schon im Westen, als ich in meinem Boot von der Küste abstieß. Das Meer lag ruhig jenseits der hohen Klippen. Mit meinem Paddel, das an beiden Enden mit einem Ruderblatt versehen war, trieb ich das Kanu leicht und schnell an der Südseite der Insel entlang, doch kaum hatte ich die Landzunge erreicht, schlug mir der Wind entgegen. Ich kniete beim Paddeln im hinteren Teil des Kanus, um schneller vorwärts zukommen, aber der Wind zwang mich, meinen Platz zu wechseln. In der Mitte des Kanus kauernd, paddelte ich daraufhin mit aller Kraft weiter, bis ich die reißende Strömung an der Landzunge hinter mir hatte. Allmählich ebbte die Gischt ab, und als ich ins offene Meer hinauskam, wogte das Wasser in flachen, gleichmäßigen Wellen unter mir. Hätte ich mich, um meine Kräfte zu schonen, von diesen Wellen treiben lassen, so wäre ich von meinem Kurs nach Osten abgekommen; deshalb ließ ich sie von links an mir vorüberrollen, auf die Insel zu, die jetzt hinter mir immer kleiner wurde. Als die Sonne im Meer versank, schaute ich zurück. Die Insel der blauen Delfine war verschwunden. Angst kroch in mir hoch. Rings um mich gab es nur noch Hügel und Täler aus Wasser. Wenn ich in eines der Täler sank, konnte ich überhaupt nichts mehr sehen, und wenn das Kanu wieder auftauchte, war nur der weite, endlose Ozean da. Die Nacht brach herein. Ich trank aus meinem Korb und das Wasser kühlte meine Kehle. Das Meer war so schwarz, dass ich es nicht mehr vom
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