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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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besondere Gelegenheiten aufsparte:
    »Wer nicht in fünf Minuten an Bord ist, landet in San Juan de Puerto Rico!« Er machte eine kleine
    Pause: »Oder am Galgen!«
    Auf der Galeone gab es nichts mehr, was nur einen Heller wert gewesen wäre. Als sich die beiden Schiffe endlich trennten, war sie nur noch ein trauriger Schatten ihrer selbst.
    Die Männer der Vendaval fluchten leise, während
    sie sich gegenseitig ihre blutigen Striemen auf den Schultern behandelten. In der Zwischenzeit versuch-ten sich die Frauen gegenseitig zu trösten, daß sie klaglos hatten ertragen müssen, von einer ganzen
    Bande wilder Bestien bis zur Erschöpfung für deren lüsterne Spiele benutzt worden zu sein.
    Kurze Zeit später wurde der Kapitän »madig«: im
    wahrsten Sinne des Wortes.
    Niemand wußte genau, warum, doch brach bei ihm
    eine eiternde Wunde nach der anderen auf, und ob-
    wohl man ihn mit unzähligen Tinkturen und Salben
    einrieb, konnte niemand verhindern, daß nach einer gewissen Zeit weiße Maden im geschwollenen und
    übelriechenden Fleisch wimmelten. Man hätte an
    einen merkwürdigen Kadaver denken können, der
    sich schon für die Fäulnis entschieden hatte, während er noch reden und fluchen konnte.
    »Das muß diese verdammte Marquesa gewesen
    sein!« knirschte er ein ums andere Mal mit den Zähnen, während der geschickte Portugiese Manoel Cintra, der bisweilen an Bord den Arzt spielte, seine schmerzhaften und nutzlosen Salben auftrug. »Die
    verdammte Hure muß verfault gewesen sein!«
    Ob es nun eine Geschlechtskrankheit oder ein un-
    bekannter tropischer Parasit war, der in seinen Wunden Eier abgelegt hatte: Der bislang so spöttische und mutige Pirat verwandelte sich vor aller Augen in ein empfindliches und furchtsames Geschöpf, das
    sich offen gegen die Vorstellung wehrte, bei lebendigem Leib von derart widerwärtigen Kreaturen ver-schlungen zu werden.
    »Daß sie mich mal beim Entern umbringen, damit
    habe ich stets gerechnet«, sagte er. »Selbst daß sie mich aufhängen, wenn sie es schaffen, mich zu fangen. Das ist schließlich ein glorreiches Ende für einen Seeräuber wie mich. Aber lebendig zu verfau-
    len… Bei Gott, das hätte ich mir nicht träumen lassen!«
    Als Sebastian wissen wollte, was an einem Tod am
    Galgen »glorreich« sein könnte, gab der übelgelaun-te Kapitän bissig zurück:
    »Ohne die Gefahr, am Galgen zu enden, würde sich
    jeder Hungerleider zum Piraten aufschwingen, und
    in der Karibik würde es vor Feiglingen wimmeln.
    Wer bereit ist zu töten, sollte vor allem auch bereit sein zu sterben…« Er deutete auf seine Wunden:
    »Aber so nun auch wieder nicht.«
    Ein gequälter Mann, der keine Nacht mehr schlafen konnte, und tagsüber vor Schmerzen auf seine Pfeife biß, war nicht mehr in der Lage, eine Mannschaft
    unerwünschter Glücksritter zu befehligen. Nach einer weiteren grauenvollen Nacht war der Kapitän
    offensichtlich zur Überzeugung gelangt, daß ihm die Situation aus den Händen glitt. Er befahl den Jungen aus Margarita in die Achterkajüte, bedeutete ihm, die Türe hinter sich zu schließen, und kam ohne
    Umschweife zur Sache:
    »Ich werde dir eine schwierige Mission anvertrau-
    en.«
    »Wie Ihr befehlt, Kapitän.«
    »Manoel Cintra sagt, daß mich nur ein Mensch auf
    der Welt heilen kann: ein Arzt aus Cartagena de Indias. Fahr dorthin und schaff ihn mir her.«
    »Und wie überrede ich ihn dazu?«
    »Wie man alle Welt überredet: mit Geld.« Er nahm
    die Hand des Jungen und drückte sie fest. »Biete
    ihm, was er verlangt, aber bring ihn her zu mir, denn diese verdammten Mistviecher bringen mich um!«
    Der Junge musterte sein abgemagertes, welkes Ge-
    genüber, in dem sein alter Kapitän nicht wiederzuerkennen war, und fragte schließlich:
    »Warum habt Ihr mich ausgewählt? Warum schickt
    Ihr nicht Lucas Castano? Nach allem, was man mir
    erzählt hat, kennt er Cartagena de Indias sehr gut.«
    »Weil ich ihn hier brauche, um die Disziplin an
    Bord aufrechtzuerhalten.« Er schnitt eine bittere Grimasse. »Und weil du der Schlaueste bist.«
    »Danke!«
    »Keine Ursache!« Wie ein Haken zeigte sein Fin-
    ger auf ihn. »Denk dran, ich habe aber auch noch
    einen dritten Grund, dich auszuwählen.«
    »Und der wäre?«
    »Dein Vater«, entgegnete der Schotte mit größter
    Selbstverständlichkeit. »Er bleibt an Bord, und wenn du mich verrätst, wird er die Hölle auf Erden erleben. Du weißt, wozu ich fähig bin.«
    »Solche Drohungen sind unnötig«, lautete die traurige

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