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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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Weise sagte er voraus, daß zwei Menschen, die sich im stürmischen Ozean ihrer Erinnerungen
    verloren hatten, unverhofft in einen sicheren Hafen zurückgekehrt waren, in dem sich ihre bittere Vergangenheit wie von Zauberhand in eine süße Ge-
    genwart verwandelte.
    Vielleicht deshalb fühlte der junge Kapitän Jacare fack, als er kurze Zeit darauf an der Pforte einer kleinen Einsiedelei am Eingang der Stadt vorbeiging, zum ersten Mal in seinem Leben die drängende Verpflichtung, Gott zu danken, und daher trat er, ohne zu zögern, in die abgeschiedene, stille Kapelle ein.
    Das erste, was seine Aufmerksamkeit erregte, als er auf einer groben Bank Platz nahm, war ein riesiges wurmstichiges Bildnis der Jungfrau mit Kind, das
    ihn sofort an seine Mutter erinnerte, wenn sie Celeste stillte. Er mußte sich fragen, wie es möglich war, daß sich ein Wesen, das ihm so himmlisch und en-gelsgleich vorgekommen war, sich in jemanden
    verwandelt hatte, der in der Lage war, die eigene Tochter zu verderben, nur um weiterhin erst mittags aufstehen zu müssen und acht Diener zu haben.
    In der langen Stunde auf der harten Bank dachte
    der Margariteno inniger über seine Gefühle nach als für den gesamten Rest seines Lebens. Er war so
    überglücklich, seine Schwester wiedergefunden zu
    haben, daß er nicht einmal seine Mutter hassen
    konnte.
    Schließlich richtete er seinen starren Blick auf das Madonnenbild und murmelte, als hätte er in Wahrheit eine Abbildung von Emiliana Matamoros vor
    sich, die ihn hören könnte:
    »Geh mir aus dem Sinn. Geh mir aus dem Sinn und
    kehr nicht wieder, weder in guter noch in schlechter Erinnerung. Ich will weder an die Mutter denken,
    die ich liebte, noch an die schändliche Frau, die ich verabscheue, noch an die unwürdige Alte, die du
    sein wirst.« Er starrte das Bild geradezu herausfordernd an. »Ich möchte nicht wissen, in welchen Hä-
    fen du dich herumtreiben wirst, um die Reste deiner Schönheit zu verhökern, während du daran denkst,
    daß du einen Mann und zwei Kinder hattest, die dich verehrten. Tu mir den Gefallen, geh mir für immer aus dem Sinn.«
    »Kann ich dir irgendwie helfen, mein Sohn?« Er
    hob den Kopf und blickte einen hageren Alten an,
    der hinter ihm wie aus dem Nichts aufgetaucht war, und schüttelte den Kopf.
    »Nein danke, Padre. Ich habe nur ein wenig gebe-
    tet.«
    »Ein wenig?« versetzte der andere belustigt. »Ich habe dich schon vor geraumer Zeit eintreten sehen, und ein Junge deines Alters verbringt gewöhnlich im Haus des Herrn nicht so viel Zeit.« Wie ein Spürhund schnupperte er an Sebastians Kleidung: »Jetzt verstehe ich: Du bist ein Seemann und hast nicht
    viele Gelegenheiten, eine Kirche zu besuchen,
    stimmt’s?«
    »Woher wollt Ihr wissen, daß ich ein Seemann
    bin?«
    »Weil du nach Algen riechst. In meiner Jugend war ich Kaplan der Armada, und in dieser Zeit konnte
    ich am Geruch erkennen, welchen Posten einer auf
    dem Schiff hatte. Von den Algen abgesehen riechen die Marsgaste nach Leinen, die Zimmerleute nach
    Harz, die Köche nach Fisch und die Schiffsjungen
    nach Bilge.«
    »Und die Pfarrer?«
    »Die schlechten nach Wein, die guten nach Brot.«
    Der runzelige Alte grinste von einem Ohr zum anderen. »Wie ich diese Zeiten vermisse! Heute stinken die meisten Leute nur noch nach Mist.« Er betrachtete ihn mit neuerlicher Aufmerksamkeit. »Möchtest du beichten? Oft wird der Kopf dadurch klarer.«
    »Danke, Padre«, lautete die ehrliche Antwort.
    »Aber ich glaube, meine Gedanken sind niemals
    klarer gewesen als heute, und wahrscheinlich würde ich nur die Euren verdüstern.«
    Ausholend deutete der Alte auf die groben Mauern, die sie umgaben.
    »Hat dir das alles geholfen?«
    »Eine Menge«, gab der Margariteno zu.
    »Gott sei gelobt!« rief der andere sichtlich verblüfft aus. »Der Herr möge mir verzeihen, aber ich muß
    ein schlechter Pfarrer sein, daß sich mein Geist um so höher erhebt, je größer die Kirche ist, in der er sich aufhält. In der Kathedrale von Burgos schwang sich meine Seele hinauf bis zum Glockenturm, doch an einem Ort wie diesem bleibt sie am Boden.«
    Der verblüffte Jacare Jack musterte ihn von Kopf
    bis Fuß, um mit neuerlichem Interesse ungläubig zu fragen:
    »Seid Ihr wirklich ein Priester?«
    »Wenn auch du daran zweifelst, sind wir schon
    zwei«, lautete die belustigte Antwort. Doch unmittelbar darauf fuhr der gute Mann in einem anderen Ton fort: »Ja doch, mein Sohn! Ich bin schon Priester, seit ich denken kann,

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