Insel der Freibeuter
Begleitung gemacht hatte,
die auf Schritt und Tritt für seine Sicherheit sorgte.
Weder der wirtschaftliche Ruin noch der Verrat
Celestes oder die Aussicht, den Rest seines Lebens in der Festung des feuchtheißen Cumaná zu verbringen, machten dem Ex-Gesandten der Casa de Con-
tratación von Sevilla so sehr zu schaffen wie die Tatsache, daß er all seine Macht verloren hatte. Bitter mußte er feststellen, daß nur noch zwei alte Diener seine Befehle ausführten und kein einziger Leib-wächter mehr bereit war, sein Leben für ihn aufs
Spiel zu setzen.
Don Hernando Pedrárias, Sohn eines geachteten
Staatsanwalts der Casa de Contratación von Sevilla und Enkel eines ihrer tüchtigsten obersten Richter, war in der unerschütterlichen Überzeugung aufgewachsen, daß die Angehörigen seines Geschlechts
dazu berufen waren, über die Geschicke der Neuen
Welt zu schalten und zu walten. Ihre Autorität war ebenso unantastbar wie die der Personen königlichen Geblüts.
Über Jahre hinweg hatte er die Beamtenschule der
Casa besucht, gemeinsam mit vielen anderen Söhnen und Enkeln hoher Würdenträger, und die gesamte
Zeit über hatten weder Lehrer noch Schüler auch nur ein einziges Mal die Tatsache in Frage gestellt, daß nur sie wußten, und niemand sonst, was die fernen Länder jenseits der Meere benötigten und was gut
für deren Einwohner war.
Die Pfarrer waren für die Religion, die Höflinge für die Politik und die Offiziere für die Schlachten zu-ständig, doch die Beamten der Casa kontrollierten die Wirtschaft des Landes, und das bedeutete, daß auf die eine oder andere Weise Pfarrer, Politiker und Militär von ihnen abhängig waren.
Und jetzt wagte es eine Marionette wie Oberst
Arismendi, der jahrelang vor ihm gekatzbuckelt und von ihm profitiert hatte, ihn zu beleidigen, jetzt wo der Offizier wußte, daß Don Hernando keine Fäden
mehr ziehen konnte, um ihn sofort in das übelste
Urwaldkaff versetzen zu lassen.
Macht!
Macht war die sanfte Geliebte, mit der er jahrelang geschlafen hatte, und in jener Nacht, in der er allein den staubigen Weg nach Juan Griego entlangritt,
kam Don Hernando Pedrárias zur schmerzlichen
Erkenntnis, daß sie niemals mehr sein Bett teilen würde.
Der Morgen graute, als er in der Ferne die schwarzen Mauern des Forts erkennen konnte, und als die ersten Sonnenstrahlen über Cabo Negro blinzelten, stand er vor Hauptmann Sancho Mendana, der gerade sein Frühstück auf der riesigen Seeterrasse beendet hatte.
»Oberst Arismendi hat mir empfohlen, zu Euch zu
kommen«, bog Don Hernando die Wahrheit zurecht.
»Er hat mir versichert, daß ihr mir vielleicht die Information geben könnt, die ich benötige.«
»Über?«
»Kapitän Jacare Jack.«
»Und was soll ich dem Oberst nach über Kapitän
Jacare Jack wissen?« lautete die mißmutige Antwort des Hauptmanns, die vermuten ließ, daß er tatsächlich eine Menge wußte. »Ein Pirat ist er, nichts weiter.«
»Der Oberst hält Euch für eine Autorität in Sachen Piraten. Ihr sollt gegen viele gekämpft haben.«
»Ich war bei einem gescheiterten Angriff auf Tor-
tuga dabei, habe mit meinen Kanonen Mombars, den
Todesengel, in die Flucht geschlagen, und einmal
habe ich an einer Treibjagd teilgenommen, auf der wir achtzehn Freibeuter aufgehängt haben, aber deshalb sehe ich mich noch nicht als Autorität in dieser Angelegenheit.« Bedächtig zündete der phlegmatische Hauptmann seine Pfeife an und fügte mit ge-
zwungener Natürlichkeit hinzu: »Jeder Offizier, der so lange wie ich in diesen Breiten gedient hat, dürfte ähnliche Erfahrungen haben.«
»Nichtsdestotrotz!« rief Don Hernando Pedrárias
aus. »Ich weiß, daß die Jacare mehrere Male in der Bucht vor Anker gegangen ist.«
»Immer schön außer Reichweite meiner Kanonen«,
stellte sein Gastgeber spöttisch klar. »Seit Jahren mache ich Eingaben, daß man diese alten Schrotthaufen austauscht und Munition schickt, doch keiner hat sich je darum geschert. O ja, die Jacare ist in der Bucht von Kap zu Kap gefahren, weil sie genau
wußte, daß ich ihr mit meinen vier Fischerkähnen
und einem halben Dutzend Reservisten nichts anha-
ben konnte.« Wütend blickte er sein Gegenüber an, als dächte er darüber nach, ob es sich lohnte, seine Spucke an ihn zu verschwenden: »Alle Piraten und
Korsaren, Engländer, Franzosen, Holländer, Portu-
giesen, ja sogar Chinesen, falls es in China Korsaren gibt, wissen nur zu gut, daß sie uns ungestraft plündern, schänden
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