Insel der glühenden Sonne
Moment noch, was ist da hinten los? Wozu die ganzen Lichter?«
Sean warf einen Blick auf die Lampionkette, die über die Straße gespannt war. »Das sind Straßenmusiker, Sir. Sie spielen jeden Sonntagabend dort.«
»Ich mag Straßenmusiker. Halt an, ich höre ein bisschen zu.«
Sean seufzte. Er hatte Hunger und würde das Abendessen verpassen. »Das Konzert dürfte so gut wie vorbei sein, Sir.«
»Egal. Fahr schnell hin, bevor es zu spät ist.«
Sean wendete den Wagen und fuhr auf die Menschenmenge zu, kam aber nicht nah heran.
»Reicht das, Sir? Sie können sie auch von hier aus hören.«
»Nein. Du wartest hier, ich werfe selbst mal einen Blick auf die Musiker.«
Er öffnete den Wagenschlag und kletterte eifrig hinaus, bevor Sean ihm helfen konnte. Als er ihm den Mantel glatt strich, fiel das kostbare Pergament zu Boden. Der Boss verschwand bereits in der Menge, und Shanahan hob die Karte behutsam auf.
Dossies Herz zog sich zusammen, als sie den Polizisten die Tür öffnete.
»Ja, bitte? Was ist los?«
»Mr. Warboy«, knurrte der Ältere, ein Typ mit hartem Blick, gestutztem Schnurrbart und Kasernenhofstimme. Der Jüngere stand mit verkniffenem Mund dahinter. Dossie eilte in den Salon.
»Polizisten für Sie, Sir.«
»Führ sie herein.«
Nachdem man ihn mit Mrs. Warboy bekannt gemacht hatte, nahm der Polizeichef auf einem Stuhl Platz und wies Wachtmeister Gander an, sich mit Stift und Notizbuch ans Fenster zu stellen.
»Nun, gehen wir die Sache noch einmal durch, Warboy. Ihre Tochter Penelope behauptet, sie sei vergewaltigt worden. Ist das korrekt?«
»Natürlich nicht!«, kreischte Millicent. »Sie ist tatsächlich vergewaltigt worden.«
»Stimmt«, pflichtete Jubal ihr bei. »Das kann Dr. Jellick bestätigen. Meine Frau hat sie von ihm untersuchen lassen.«
»Dürfte ich bitte mit ihr reden?«
»Ganz sicher nicht. Sie ist erst siebzehn und wäre völlig schockiert, wenn sie vor Fremden über so etwas sprechen müsste. Das verbiete ich strikt.«
Hippisley nickte und wies darauf hin, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine Befragung unumgänglich sei, damit die Natur des Verbrechens aufgeklärt werden könne, doch da beide Eltern so viele Einwände erhoben, fuhr er zunächst fort: »Sie wissen, wer der Täter ist?«
»Ja.«
»Dann möchte ich mit ihm sprechen. Wenn Sie uns bitte entschuldigen, Mrs. Warboy.«
»Leider ist das zurzeit nicht möglich, aber er wird bald erscheinen.«
»Ich dachte, er sei ein Sträfling. Dann darf er im Dunkeln gar nicht mehr unterwegs sein.«
»Sicher, das ist mir bekannt. Aber er ist der Kutscher meines Vaters und holt ihn von einem Ausflug ab.«
»Wie heißt der angebliche Vergewaltiger?«
»Ich möchte nicht mit dem Finger auf ihn zeigen, selbst wenn er ein übler …«
»Ein übler Geselle ist«, warf seine Frau ein und betupfte sich die Augen.
»Wir haben vor, alle Sträflinge antreten zu lassen und den Täter aufzufordern, er möge sich melden«, erklärte Jubal.
»Dürfte ich Sie daran erinnern, dass ich von Ihnen herbeigerufen wurde, um ein Verbrechen zu untersuchen? Nun, wie lautet der Name des Verdächtigen?«
»Shanahan.«
»Sean Shanahan, der Ire?«
»Ja. Wie ich sehe, sind Ihnen seine Umtriebe bereits bekannt.«
»Mir sind seine Briefe bekannt«, knurrte Hippisley. Er mochte weder den Mann noch die Frau und hatte das Gefühl, in seinen Ermittlungen auf der Stelle zu treten. Andererseits war es verständlich, dass die Eltern eines jungen Mädchens, das vergewaltigt worden war, die Tochter schützen wollten. Vermutlich würde er besser mit dem Großvater sprechen, der als vernünftiger Bursche bekannt war. Shanahan war gewiss kein unbeschriebenes Blatt, aber ein Vergewaltiger? Allerdings musste man bedenken, dass in diesem Land viele Männer auf die Gesellschaft von Frauen verzichten mussten.
»Ich glaube, ich komme am besten morgen wieder, dann kann ich mit den Sträflingen und Ihrem Vater
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