Insel der glühenden Sonne
Und hat Geduld. Die braucht man auch, wenn man den Griff richtig flechten will.«
Sean gab sich interessiert, als er die Peitsche betrachtete, unterdrückte aber ein Stöhnen. Es war den Sträflingen durchaus gestattet, Lederwaren herzustellen, die sie behalten oder verkaufen konnten, doch eine anderthalb Meter lange Viehpeitsche konnte in den falschen Händen zu einer gefährlichen Waffe werden.
»Du verpasst den ganzen Spaß«, sagte Singer, »die Angelpartie ist gleich zu Ende. Bei Sonnenuntergang müssen wir wieder in den Käfig.«
Pop schaute ihn erstaunt an. »Ihr werdet nachts eingeschlossen? Wusste ich gar nicht.«
»Stimmt auch nicht«, sagte Sean.
Singer legte die Peitsche weg. »Komm mit, Pop, ich zeige dir den Garten, Warboys Wahnsinn. Es war die Bedingung, damit er herkommt und mir Unterricht gibt.«
»So nennt ihr ihn? Warboys Wahnsinn?«, erkundigte sich Pop.
»Klar«, log sein Schüler. »Klingt doch nett, oder?«
Der alte Mann nickte. »Dein Boss soll sich mal unsere Fabrik ansehen. Wir haben gute Sachen da, gut genug für Pollards Läden.«
»Werde ich machen«, versprach Sean und fragte sich insgeheim, ob er Singer dort eine Stelle besorgen konnte. Je weiter entfernt von der Farm, desto besser. Vielleicht konnte er dafür Flo Quinlan herholen, der von dem brutalen Schwein Harris angegriffen worden war.
Die Zensoren saßen in einem gut geheizten Zimmer im Gerichtsgebäude. Sie arbeiteten sich durch die aufgelaufene Post, die am nächsten Tag auf Schiffe verladen werden sollte.
Sie hatten die Aufgabe, die Post von freien Siedlern und Sträflingen zu trennen, wobei sie sich an den beiden Melderegistern orientierten, in denen alle Bewohner verzeichnet waren. Die Post der Siedler wurde meist gar nicht geprüft, während die übrigen Sendungen erneut aufgeteilt wurden. Nur wer als Arbeiter zugeteilt oder auf Bewährung frei war, durfte Briefe versenden, während die übrigen, die ohnehin kaum leserlich waren, oft im Feuer landeten.
Insgesamt war es wenig Arbeit für die Zensoren, da sich der Inhalt ständig wiederholte und sie nur nach Hinweisen auf mögliche Verschwörungen und andere illegale Aktivitäten Ausschau halten mussten. Allerdings waren die meisten Sträflinge ohnehin zu gerissen, um solche Pläne schriftlich niederzulegen.
An diesem Sonntagnachmittag zeigte einer der gelangweilten Zensoren plötzlich mildes Interesse.
»Soll ich das durchlassen?«, fragte er seinen Kollegen.
»Von wem ist der?«
»Nr. 5137, Forbes.«
»Muss Singer Forbes sein, den kenne ich. Lass mal sehen.«
Mein lieber Bruder,
ich habe deinen vierten Brief erhalten und warte ungeduldig auf den fünften. Schreib, wie es dir geht und ob du von meiner Abbeyrose gehört hast, die mir nicht mehr schreibt. Ich kann an nichts anderes denken, dabei habe ich nur noch vier Jahre. Kannst du das Geld für die Überfahrt zusammensparen, dann singe ich bei deiner Beerdigung, wo ich die Hochzeit schon verpasst habe. Ich arbeite jetzt auf einer Farm und in einem Garten, es läuft gut. Der Sohn des Farmers betet viel für uns, ein fetter Kerl, der ein Korsett trägt, ständig rülpst und furzt, ihm wachsen Haare aus Nase und Ohren, und er hat Äuglein wie ein Schwein. Sag Abbeyrose, ich bringe ihr ein Juwel mit. Liebe und respektvolle Grüße an die Eltern,
dein Bruder James
Der Zensor lachte laut. »Typisch Singer, das ist vielleicht eine Marke.«
»Können wir den durchgehen lassen?«
»Ich sehe nichts Verbotenes darin. Er äußert sich ja nicht gegen die Regierung. Den Sohn dieses Farmers würde ich mir gern ansehen. Halten wir doch mal Ausschau nach dem alten Furzer.«
Der alte Furzer war nicht weit entfernt, sondern befand sich genau gegenüber auf der neuen Polizeiwache, wo er in ein ernsthaftes Gespräch mit Polizeichef Ernest Hippisley vertieft war.
Für Hobart’sche Verhältnisse war es ein ruhiger Tag gewesen – nur eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Mannschaften zweier Walfänger, bei der ein Mann getötet und drei verhaftet wurden, nachdem das Militär eingeschritten war.
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