Insel der glühenden Sonne
»Es ist Juno!«, schrie Freddy. »Man hat auf ihn geschossen! Er will, dass du ihn holst.«
»Was? Wo?«
»Oben an der Straße! Er ist schlimm verletzt, schnell! Du sollst ihm helfen.«
Claude spannte rasch ein Pferd vor den Wagen, und sie holperten im Eiltempo die Straße hinauf, wobei Claude ihn mit Fragen bombardierte. Freddy, dem ganz flau war, suchte verzweifelt nach unverfänglichen Antworten. Neben ihm auf dem Sitz lagen Claudes Verbandkasten, eine Decke und ein Laken.
Das Pferd war davongetrabt, doch Juno lag noch da. Claude riss das Hemd auf, um die Wunde zu untersuchen, und deckte ihn zu.
»Sehen wir uns den Rücken an.« Er rollte Juno sanft auf die Seite.
»Gib mir das Laken. Wir wickeln ihn ein. Er hat zwei Kugeln im Rücken.« Dann fragte er gepresst: »Welches Schwein ist das gewesen?«
Juno schüttelte den Kopf. Er wusste es nicht. Sein ganzer Körper bebte vor Schmerz, als sie ihn hochhoben und auf den Wagen legten.
»Claude«, flüsterte er rau, und der Farmer beugte sich über ihn.
»Was hat er gesagt?«, wollte Freddy wissen, als sie zur Farm zurückfuhren.
»Er sagt, er wird sterben.«
»Nach all der Mühe!«
»Er sagt auch, ich soll von hier verschwinden, wenn er stirbt.«
»Wieso? Du hast doch nicht auf ihn geschossen.«
»Aber seine Leute fordern Vergeltung.«
»Warum von dir?«
»Du Narr«, zischte Claude aufgebracht, »er ist eine Art Häuptling. Sie werden blutige Rache nehmen. Möglicherweise überfallen sie Farmen und rammen ihre Speere in alles, was sich bewegt. Mich eingeschlossen.«
»Aber du bist ihr Freund.«
»Ja, schon, aber selbst das hält sie nicht davon ab, mich zu töten. Was glaubst du, werden sie erst mit dir anstellen?«
Freddy sprang vor Schreck beinahe vom Wagen. Noch nie im Leben hatte er solche Angst gehabt.
Als sie das Haus erreichten, war Juno tot.
Claude wusch Blut und Schmutz von ihm ab und verbrannte die zerrissene Kleidung. Dann wies er Freddy an, auf der Ladefläche des Wagens eine saubere Decke auszubreiten, damit sie den langen, schlanken Körper würdevoll »aufbahren« konnten. Er legte Farnwedel um Juno herum, ließ den Leichnam aber ungeschmückt, um nicht gegen irgendwelche Sitten zu verstoßen.
»Mehr kann ich nicht tun. Komm mit.«
»Wohin?«
»Wir müssen ihnen den Toten bringen.«
»Nicht mit mir!«
»Wie du willst.« Claude sprang auf den Bock, knallte mit der Peitsche und fuhr am Stall vorbei bis zum Waldrand.
Er meinte, Stimmen zu hören, erst noch gedämpft, die sich dann zu einem Geheul steigerten. Vermutlich wussten sie es schon, was ihn nicht überraschte. Es waren zutiefst spirituelle Menschen, deren Wissen ihn oftmals verblüffte.
Das Geheul kam näher, begleitet vom rhythmischen Klicken der Nachrichtenstäbe. Aus dem Wald tauchte ein weißhaariger Ältester mit bemaltem Körper auf. Der Mann kam auf spindeldürren Beinen genau auf den Wagen zu, sah auf den Leichnam hinunter und hob Juno wortlos mit einer gewandten Bewegung von der Pritsche.
Claude wollte ihm helfen, doch der alte Mann brauchte ihn nicht. Er trug Juno in seinen sehnigen Armen mühelos in den Wald, worauf das Geheul wieder anschwoll.
Nun kam Wind auf, der die Stimmen der Trauernden verstärkte und in einen Wirbel aus Geräuschen verwandelte. Inmitten dieses Strudels, beinahe betäubt vom Getöse, klammerte Claude sich an ein Wagenrad. Er rang keuchend nach Atem, glaubte zu ersticken.
Dann wurde es still.
Der Lärm klang ihm noch in den Ohren, als er die Fassung wiedergewann und nachsah, wie es dem Pferd ging. Es schien von alldem nichts bemerkt zu haben.
Niedergeschlagen wendete er den Wagen und rollte langsam zum Stall. Dann holte er die Geldbüchse aus dem Wald, wickelte sie in Sackleinen und legte sie unter eine Pferdedecke, bevor er seine restlichen Vorräte aus dem Schuppen holte.
»Was ist passiert?«, fragte Freddy.
»Nichts. Ein alter Mann hat den Toten geholt.«
»Also wird alles
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