Insel der glühenden Sonne
haben Penn und ich gebacken, sind ein bisschen hart geworden. Wir üben noch. Du kannst sie gern in den Tee tunken.«
»Nein, dafür sind sie zu schade, sie schmecken wie Karamellplätzchen.«
»Ja, wir haben zu viel Zucker genommen. Erzähl mal, wie geht es dir, wo arbeitest du?«
»Marie, du rätst nie, wo ich gelandet bin. Zuerst möchte ich dir aber ein Bild zeigen, das ein Gefangener auf der Insel der Toten gezeichnet hat. Ein befreundeter Arzt hat es mir aus Port Arthur mitgebracht.«
Sie starrte auf die Zeichnung, die Sean auf ein Stück Pappe geklebt hatte. »Was ist das?«
»Ein hübsches Grab an einem Hang, umgeben von Akazien, mit schöner Aussicht. Wenn du genau hinsiehst, kannst du die Inschrift lesen: Matthew Terence O’Neill, 24 Jahre. Gestorben am 4. Juni 1840. Geliebter Sohn von Patrick und Hannah O’Neill. Ruhe in Frieden.«
Marie brach in Tränen aus. »Oh, Sean, das ist wunderschön. Und dort liegt Matt begraben?«
»Ja. Ich schicke es meinem Onkel Patrick, aber du solltest es vorher sehen.« Er runzelte die Stirn. »Ich muss ihm schreiben, dass nicht ich das ›r‹ in Terrence vergessen habe.«
»Ich glaube, das ist ihm egal«, sagte sie und wischte sich die Augen.
»Da hast du Recht. Ein schönes Haus übrigens. Wohnt ihr ganz allein hier?«
»Ja, und es gefällt mir gut. Komm mit, ich zeige dir den Strand.«
Das Haus lag auf einem Felsvorsprung hoch über dem Sand.
»Penn und ich gehen jeden Tag spazieren«, sagte sie begeistert, »wir plantschen und stürzen uns in die Wellen, es sieht ja keiner zu! So glücklich bin ich noch nie gewesen, Sean, ich kann dir gar nicht genug danken.«
»Du brauchst dich nicht zu bedanken. Hört sich an, als hätte das Mädchen noch mehr Glück, wenn du so gut für sie sorgst. Hat sie je erwähnt, wer der Vater des Kindes ist?«
Marie schüttelte den Kopf. »Nein, aber sie wartet noch immer auf Angus.« Sie brachte es nicht über sich, ihren Verdacht zu erwähnen, weil sie sich selbst nicht sicher war.
»Angus würde sie zum Teufel jagen. Er hat ihr diese Hölle zu verdanken.«
»Sean, sei nicht so hart mit ihr. Sie ist ein bisschen schlicht.«
»Hast du sie denn nicht ein einziges Mal gefragt, wer sie geschwängert hat?«
»Nein. Soll sie etwa noch einmal erzählen, dass es Angus war?«
»Irgendwie musst du doch die Wahrheit herausfinden können.«
»Sie weiß, dass sie ein Kind bekommt, will aber nicht glauben, dass es in ihr drin ist. Sie schreit und bezichtigt mich der Lüge, wenn ich sie darauf vorbereiten will. Wie bitte soll ich danach fragen, wer das Kind hineingetan hat?«
»Hol ihr einen Spiegel«, knurrte er.
»Komm schon, nicht wütend werden. Erzähl mir lieber von deiner Arbeit und was es sonst noch Neues gibt. Hast du eine Freundin?«
Er blieb an der Ecke des Hauses stehen. »Ja und nein. Ich hatte ein Mädchen in Irland, Glenna, hab es aber an einen anderen verloren. Jetzt ist sie Witwe, und meine Schwester Annie schreibt, sie hätte mit ihrem kleinen Sohn Irland verlassen und sei vielleicht nach Van Diemen’s Land aufgebrochen.«
»Um zu dir zu kommen? Wie romantisch! Und wann rechnest du mit ihr?«
»Annies Brief war monatelang unterwegs. Sie hat ihn abgeschickt, nachdem Glenna abgereist war.« Er schüttelte den Kopf. »Sie müsste eigentlich schon hier sein. Ich glaube, sie kommt nicht mehr.«
»Wie furchtbar. Dieses Warten kann einem ja das Herz brechen.«
»Nein«, meinte er lachend, »es war Wunschdenken. Sie hat mich längst vergessen.«
Penn erschien mit wehendem Morgenrock in der Hintertür. »Marie, ich dachte, du bist weg. Kann ich Tee haben? Wer ist das da?«
»Mr. Shanahan von der Farm. Erkennst du ihn?«
»Ich glaube schon. Ist er dein Freund?«
Marie lächelte. »Nein. Zieh dich an und komm auf die Veranda. Ich brühe frischen Tee auf.«
Sean blieb nur, bis er Marie von seiner Arbeit erzählt und ihr seine Adresse gegeben hatte. Es fiel ihm schwer, Miss Warboys Geplapper anzuhören, wo er sich doch lieber mit Marie allein
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