Insel der glühenden Sonne
Aufseher, der nun wirklich nicht als Warmer bekannt war.
Lester schoss quer über den Strand, stieß George an und griff nach der Dose.
Schon traf ihn Georges Faust, dass er kopfüber in den Sand flog.
Wütend sprang er auf und stürzte sich mit lautem Gebrüll auf seinen Kameraden, konnte es aber mit dem großen Kerl nicht aufnehmen, der ihn einfach beiseite stieß und davonmarschierte.
Zur Strafe wurde Lester in der Nacht in einer Grube angekettet.
George, der als Opfer galt, wurde nicht bestraft, war aber vor Schreck wie gelähmt. Um ein Haar hätte Lester ihn erwischt. Mitsamt dem Datum. Nächsten Sonntag.
Er übergab die Dose ohne Nachricht, die er zerkaute und herunterschluckte, worauf ihm der Bote anerkennend zuzwinkerte. Dann erwartete er geduldig Lesters Zorn.
Doch dieser hatte die ganze Nacht Zeit, die Ereignisse zu überdenken. Georges Heimlichtuerei hatte nichts mit Bettgeschichten zu tun, doch was blieb, war die Geschichte mit den Tabaksdosen.
Warum sollte ein sanfter Mann wie George deswegen so heftig reagieren?
Was war in diesen Dosen?
Schließlich fiel es ihm ein. George hatte draußen viele Freunde, er plante seine Flucht.
Die Information war eine Menge wert. Vielleicht würden sie ihn wieder zum Kalfakter machen, wenn er George ans Messer lieferte.
Andererseits könnte er auch verlangen, dass er ihn mitnahm. So wie es aussah, würde er noch Jahre hier verbringen, womöglich in diesem verdammten Bergwerk ersticken, er hustete jetzt schon wie ein altes Weib.
Zum ersten Mal traf ihn die Wirklichkeit von Port Arthur wie ein Schlag. Er war immer selbstsicher gewesen und bereit, andere zu verraten oder mit Gewalt etwas zu erzwingen, sodass er gar nicht begriffen hatte, wie sehr es mit ihm bergab gegangen war.
George war beliebt. Wenn er ihn verriet, was Peitschenhiebe und lebenslange Kettenhaft bedeutete, würden seine Kameraden sich an Lester rächen. Vergeltung war unter Sträflingen üblich und von Toohill abgesegnet, weil sie angeblich die Ordnung förderte.
Die Nacht schleppte sich dahin, sein Magen knurrte erbärmlich, Ratten huschten umher.
Er sollte Josie lieber erlauben, die Farm zu verkaufen, und zwar schnellstens, damit Geld hereinkam. Er würde sogar den Schuldschein einlösen, um auf ein Schiff zu gelangen, doch wenn George einen Fluchtplan hatte, wusste er sicher auch, wie man von der Insel selbst verschwinden, Van Diemen’s Land ein für alle Mal verlassen konnte.
Er würde ihr schreiben, dass sie die Farm verkaufen und zu ihrer Familie heimkehren solle.
Wenn er erst nach England gelangte, würde sein Vater sich schon um alles kümmern.
Er schmiedete so große Pläne, dass er kaum die Aufseher hörte, die ihn freilassen wollten; er verzichtete sogar darauf, sie zu beschimpfen. Er eilte zum Frühstück, erwischte George – und entschuldigte sich.
»Was soll das heißen?«
»Es tut mir Leid, dass ich nach deinem Zeug gegriffen habe, es war nur ein Witz. Bist du noch sauer?«
»Ach … schon gut. Hier ist dein Helm.« Er gab Lester eine Lederkappe mit Nackenschutz, der ein wenig vor dem Kohlenstaub schützte, und Lester bedankte sich, bevor sie gemeinsam zur Arbeit trabten.
Als Angus hörte, dass eine Flucht im Gange war und George ihn eingeplant hatte, konnte er sein Glück nicht fassen. Dennoch blieb seine Miene ungerührt, um ihn nicht zu verraten.
»Warum hängt Harris dauernd bei dir rum? Ist er auch dabei?«
»Nein, aber er macht mir Sorgen. Er kann nichts gehört haben, ich hab mit niemandem gesprochen, und die Boten sind zuverlässig, aber ich werde ihn einfach nicht los.«
»Du musst ihn irgendwie ausschalten«, warnte Angus ihn beim Hofgang.
»Könntest du am Sonntagmorgen zur Ablenkung ein Feuer legen? Ich tue das Gleiche im Wald, da brennt alles wie Zunder. Aber wir brauchen noch eins hier in der Nähe.« Er grinste. »Ein paar Freunde von mir, die Holz fällen, legen Samstagnacht eins bei Eagle Hawk Neck. Die Bosse werden ganz schön Muffen kriegen.«
Auf dem Weg zur Kirche verschwinden und auch noch ein Feuer legen?
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