Insel der glühenden Sonne
Angus zerbrach sich Tag und Nacht den Kopf darüber. Er hatte keine Idee, wollte aber jede Anweisung gewissenhaft ausführen, wenn sie ihn schon dabeihaben wollten.
Es war schwer, die innere Spannung zu verbergen, ihm brach immer wieder der kalte Schweiß aus. Er sagte sich, es gebe keinen Grund zur Sorge. Wenn man ihn erwischte, würde er hängen oder sich zumindest wünschen, er wäre tot; doch dieses Leben war auch nicht lebenswert. Was hatte er zu verlieren? Er würde es wieder und wieder versuchen, bis er endlich frei war – in diesem oder dem nächsten Leben.
Die ganzen vernünftigen Überlegungen verhinderten nicht den erneuten Schweißausbruch, als George ihm den endgültigen Tag nannte. Er zitterte die halbe Nacht und fragte sich, ob George ebenso nervös war wie er. Nach außen hin hatte er ruhig gewirkt, ihn auf das Feuer hingewiesen und dass er durch den Wald zum Bergwerk laufen solle. In der zweiten Bucht hinter der Anlegestelle würde das Boot warten. Bis elf Uhr, nicht länger.
Am Montagabend gesellte sich Angus beim Hofgang zu Jancy, um sich abzulenken. Jancy war von Haus aus Gärtner und redete gern über seine Arbeit. Er hatte einmal erzählt, er habe auf dem Anwesen, das sein Vater betreute, bestimmte Lieblingspflanzen gehabt, von denen er sprach wie von seinen Kindern.
Andererseits war Jancy mit Singer befreundet und ziemlich besorgt. »Er trägt noch immer die Kapuze, geht nicht zur Arbeit, hockt den ganzen Tag in seiner Zelle, hat wenig Bewegung, muss sogar mit Kapuze in die Kirche. Die Aufseher sagen, er steht kurz vor dem Zusammenbruch.«
»Was meinen sie damit?«
»Dass er nicht mehr weiß, wer er ist. Murmelt vor sich hin, scheint den Verstand zu verlieren.«
»Wann nehmen sie ihm endlich die Kapuze ab? Kann doch nicht mehr lange dauern. Wir rechnen jeden Tag mit ihm.«
»Wer weiß das schon? Er will ja immer noch nicht singen.«
»Das ist doch kein Grund, das Konzert war vor Wochen. Wir haben gedacht, er hat sich gleich die nächste Strafe eingehandelt.«
»Nein, ist immer noch dieselbe. Er kann bis zum Jüngsten Gericht da hocken.«
»Den Teufel wird er tun!«
Angus bat um einen Termin bei Polizeichef Toohill, den man ihm verweigerte. Er erkundigte sich bei den Aufsehern, ob sie ihn zu Singer hineinschmuggeln könnten. Ohne Erfolg. Er schrieb an Toohill und bat ihn, die Strafe des Gefangenen Forbes zu überprüfen.
Die Aufseher erklärten, Toohill habe nichts unternommen, und Singer verweigere mittlerweile die Nahrungsaufnahme. Sie hatten dem Polizeichef Meldung erstattet, doch er erwiderte, dass dies seiner Ansicht nach eine Selbstverletzung darstelle und mit Peitschenhieben geahndet werden könne. Er halte Forbes ohnehin für einen Simulanten. Dann wies er die Aufseher an, sich zu melden, wenn der Gefangene bis Montag nichts äße.
Angus drängte so lange, bis sie Dr. Roberts benachrichtigten.
Allyn bestand darauf, die Kapuze müsse entfernt werden, und war entsetzt, als er Forbes’ hageres Gesicht erblickte.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Forbes?« Er fühlte ihm den Puls.
Der Gefangene sah ihn benommen an.
»Ich bin Dr. Roberts. Kennen Sie mich noch? Wir sind uns schon begegnet. Ich bedauere, Sie so zu sehen. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Forbes schlurfte durch die Zelle, offenbar froh, die Kapuze los zu sein. Allyn bemerkte tiefe Schürfwunden am Hals, die er gern mit Salbe behandelt hätte. Leider würde es die Beschwerden nur vergrößern, wenn die Kapuze wieder übergestülpt wurde. »Könnten Sie bitte seine Handfesseln lösen?«, bat er den Aufseher.
»Darf ich leider nicht. Letztes Mal hat er seine Kapuze kaputtgemacht. Jetzt ist er ständig gefesselt und will deshalb nicht mehr essen.«
»Würden Sie essen, wenn man Ihre Hände befreit?«, fragte Allyn Singer.
»Ja.«
Allyn griff nach einem sauberen Tuch, tauchte es in den Wasserkrug, der neben dem Essen auf dem Boden stand, und wischte Singers bärtiges Gesicht ab.
»Ich weiß, dass Sie sich wie ein Tier vorkommen. Tiere haben Ihnen aber eins voraus: Sie mögen zwar keine Hände besitzen, wissen aber, wann sie etwas zu sich nehmen
Weitere Kostenlose Bücher