Insel der glühenden Sonne
er eine würdige Figur, und einige Bummler an der Ecke machten ihm respektvoll Platz. Allyn spielte wieder einmal mit dem Gedanken, sich ebenfalls einen Gehrock zuzulegen, wusste aber, dass er zu klein war, um darin ebenso elegant zu wirken wie der Chirurg. Er verwarf die Idee und machte sich auf den Weg, um sein Pferd abzuholen. Er musste noch George Smith besuchen. Seine Patienten in der Praxis dürften längst gegangen sein, morgen hatte er schon wieder Dienst im Krankenrevier. Er hinkte seinem Pensum ständig hinterher.
Als er in die Hay Lane bog, bemerkte er, dass eine Durchsuchung im Gange war. Polizisten gingen systematisch von Haus zu Haus. »Nach wem suchen Sie diesmal?«, erkundigte er sich bei dem Sergeant, der die Leitung hatte.
»Einem flüchtigen Sträfling, Freddy Hines.«
»O nein!«
»Kennen Sie ihn, Doktor?«
»Er war mein Patient. Handverletzung.«
»Wenn wir ihn erwischen, wird er mehr haben als nur eine Handverletzung.«
Weiter die Straße hinauf ertönten Rufe. »Sieht aus, als hätten sie ihn«, sagte der Sergeant und eilte davon.
Allyn war betrübt. Er fragte sich schon lange, warum trotz der geringen Chancen, die Insel zu verlassen, so viele Gefangene flohen. Die Bestrafung war grausam, die Haftstrafe wurde um mehrere Jahre verlängert. Laut seinen Akten hatte Hines sich gut geführt und ein Drittel seiner Strafe bereits abgesessen, sodass er in Kürze »in besiedelte Gegenden hätte überstellt werden« können, mit anderen Worten, einem Arbeitgeber zugewiesen werden. Warum nur brachte sich der Mann dermaßen in Schwierigkeiten?
Er ließ sein Pferd dahintraben, vor sich acht Polizisten, die aus verschiedenen Gebäuden auftauchten und einer Reihe kleiner Häuschen zustrebten. Allyn begriff, dass Willems Haus darunter war. Hines hatte doch wohl nicht bei ihnen Unterschlupf gesucht?
»Mein Gott«, murmelte er bei sich, denkbar war es schon. Hines kannte Willem aus dem Krankenrevier, ebenso George Smith.
Er sah, wie sich einige Polizisten vor Willems Haus versammelten, dann ertönten Schreie. Allyn band sein Pferd an einen Baum und rannte hinüber, drängte sich in die Gruppe. »Haben Sie ihn, Sergeant?«
»Noch besser«, grinste der Mann. »Wir haben ein paar warme Brüder entdeckt. Sie werden gerade rausgeführt.«
»Dort drin befindet sich einer meiner Patienten, Sergeant«, erklärte Allyn streng. »George Smith, er ist Leutnant Flood zugeteilt. Er hatte einen Arbeitsunfall, bei dem er schwere Verbrennungen erlitten hat. Er darf nicht bewegt werden. Sie haben doch wohl nicht vor, ihn zu verhaften?«
»Und ob. Meinetwegen kann der Kerl im Sterben liegen.«
Willem erschien mit gefesselten Händen auf der Schwelle, das magere Gesicht grau vor Anstrengung. Als sie ihn den Pfad entlangschleppten, entdeckte er Allyn und rief verzweifelt: »Doktor, sie verprügeln George!«
Allyn schob einige Gaffer beiseite und stürzte zum Haus. Alles durchwühlt, Schranktüren aufgerissen, Schubladen ausgekippt, alle Habseligkeiten auf dem Boden verstreut.
George saß auf der Bettkante, mit geschlossenen Augen, zusammengebissenen Zähnen, Blut tropfte aus einer Wunde an der Stirn. Er trug seine Sträflingshosen und Stiefel aus Rohleder, und zwei Polizisten versuchten gerade, ihm ungeachtet der dicken Verbände gewaltsam ein Hemd über den Kopf zu ziehen.
»Schluss damit!«, rief Allyn. »Der Mann ist bei mir in Behandlung. Sehen Sie denn nicht die Nachricht, die hier liegt?« Er packte die Bescheinigung und wedelte damit herum, da er hoffte, so eine gewisse Autorität auszuüben, was ihm auch vorübergehend gelang. Die Männer traten zurück.
Allyn streifte sanft das Hemd ab und legte es George um die breiten Schultern.
»Sehen Sie nur.« Er deutete wütend auf die gelb-rot gefleckten Verbände. »Seine Verbrennungen haben sich entzündet, sie eitern. Ich werde sie neu verbinden müssen.«
»Ach ja?«, höhnte ein Polizist. »Da kommen Sie aber zu spät, Mister. Wir sind gerade dabei, diese Herren zu verhaften.« Er riss George am Arm auf die Füße.
Allyn sah, dass sich dessen Gesicht vor Schmerz verzerrte, und war verblüfft, dass er diese grobe Behandlung lautlos
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