Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
Blick der Göttin war deutlich zu spüren. »Und wenn sie es nicht ist, dann bringt sie zu mir!« Damit wandte sie sich ab, trat auf den Sims und sprang mit einem schnellen Flügelschlag hinaus in die Dunkelheit.
Für einen Moment wollte Philine aufatmen – bis ihr klar wurde, dass die anderen Götter noch da waren. Zwei weitere Götter, die gerade einen bedrohlichen Auftrag bekommen hatten ...
Philine sah sich hastig nach den Hesperiden um. Sie hoffte fast darauf, die blonde Nymphe zu entdecken und ihrem beruhigenden Lächeln zu begegnen. Aber die Hesperiden waren verschwunden.
Der alte Mann kam mit schlurfenden Schritten auf sie zu. In seinem faltigen Gesicht war keine Regung abzulesen. Mit einer herrischen Geste hieß er sie aufzustehen.
Philine sprang hoch, stellte sich in die Mitte der Höhle und presste die Zähne aufeinander, während der Alte sie von allen Seiten betrachtete. Sein Blick tastete über ihre Beine, über ihre Arme und ihr Gesicht.
Er suchte nach etwas. Sie wusste nicht, was es sein sollte – sie wusste nur, dass er es finden würde ...
»Äußerlich ist nichts zu sehen« , knarrte seine Stimme schließlich. »Aber ihre Haut ist sehr blass ... und vieles ist verdeckt.«
Wie auf Kommando setzte sich die zweite Göttin in Bewegung. Sie kam auf Philine zu und hielt ihr einen Becher entgegen.
Philine wich vor ihr zurück, stieß mit dem Rücken an den Felsen und erstarrte.
Die Göttin nahm ihre Kapuze ab und schaute Philine an – aus sanften braunen Augen, von denen sie sich kaum losreißen konnte. »Trink das« , flüsterte die Göttin. »Das Wasser der Lethe wird dich alles vergessen lassen, was wir mit dir tun.«
Die Lethe! Philine zuckte zusammen. Vor ihr stand die Göttin des Vergessens.
»Nein!« Philine schüttelte heftig den Kopf. Sie wollte sich gegen den Trank wehren. Sie hatte die Nyx besiegt, hatte dem Sog ihrer Angst widerstanden und ihre Seele vor dem Untergang bewahrt. Das alles war ihr doch nicht gelungen, damit sie jetzt von einer anderen Göttin in ihr Verderben geführt wurde.
Aber die Göttin der Vergessenheit lächelte sie an, umhüllte sie mit ihrem sanften Blick und setzte den Becher an ihre Lippen. »Trink, meine Liebe! Trink und vergiss, und bewahre dich vor allem, was von nun an geschehen wird.« Sie strich mit der Hand über Philines Haare. »Vertraue mir!«
Vertrauen! Vertrauen war die Schwester von Freundschaft und Liebe.
Philine schloss die Augen und trank.
Er war bereits gestorben, er war unsterblich, er war tot und lebendig zugleich ... Den ganzen Tag ging der Gedanke nicht aus Elenis Kopf. Gleichzeitig konnte sie sehen, dass Makaio recht hatte. Die Wunden an seinem Arm und an seinem Oberkörper heilten so schnell, dass sie dabei zusehen konnte. Es dauerte nur wenige Stunden, bis sie spurlos verschwunden waren.
In diesen Stunden gingen sie wieder den Berg hinab und machten einen Umweg zu dem nächstgelegenen Fluss. Währenddessen hielt Makaio großen Abstand zu Eleni und dem Pegasus. Immer wieder warnte er sie, ihn auf keinen Fall zu berühren. Erst als er sich in dem Fluss gewaschen hatte, ließ er Eleni wieder in seine Nähe.
Er war eine sonderbare Kreatur, noch sonderbarer als sie geglaubt hatte. Hatte sie jemals davon gehört, dass Nixen Untote waren? Unsterblich vielleicht – aber bereits gestorben?
Doch ganz gleich, wie viel sie darüber nachgrübelte, sie kam zu keinem Schluss, und Makaio schwieg so mürrisch vor sich hin, als wollte er nie wieder ein Wort reden.
Nicht einmal, als sie am Abend in einer Felsnische ihren Unterschlupf bauten, sagte er etwas.
Als sie schließlich auf ihr Lager krochen und schweigend zwischen den Felsen unter dem dichten Blätterdach lagen, war Eleni sich sicher, dass Makaio für den Rest des Tages nicht mehr reden würde.
Dabei hätte sie seinen Trost an diesem Abend ganz besonders gebraucht. Die Schatten würden bald über dem Dschungel aufsteigen, und Eleni musste unablässig daran denken, dass die Nyx eigentlich nach ihr suchte. Womöglich hatte sie inzwischen herausgefunden, dass Philine das falsche Mädchen war.
Was, wenn die Kreaturen in dieser Nacht kommen würden, um Eleni zu fangen?
Falls das passierte, würde es vermutlich nicht einmal Makaio schaffen, sie zu retten – es sei denn, sein Gift war stark genug, um Götter zu töten.
Je näher die Dämmerung rückte und je dunkler es in ihrem Unterschlupf wurde, desto mehr wünschte sie sich, dass er wenigstens ihre Hand nehmen würde. Jeden Abend
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