Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
ich eines Abends ins Meer gegangen und einfach losgeschwommen. Immer weiter, in den offenen Pazifik hinaus. Die Insel war eigentlich zu weit entfernt, um dorthin zu schwimmen. Ich nehme an, das habe ich auch gewusst, als ich ins Wasser gegangen bin. Aber ich war bereits tot, und Tote können nicht sterben.«
Eleni hielt den Atem an. Plötzlich wurde ihr klar, dass er bis dahin noch gar keinen Fischschwanz besessen hatte. Zumindest hatte er noch nichts davon erzählt.
»Ich bin geschwommen, bis ich keine Kraft mehr hatte, und schließlich bin ich einfach so untergegangen. Aber offensichtlich waren die Geschichten über mich wahr. Ich bin nicht ertrunken. Stattdessen wurde es plötzlich ganz leicht zu schwimmen und ich kam rasend schnell voran. Aber ich war zu verwirrt, um zu erkennen, was mit mir passiert war. Erst viel später habe ich begriffen, dass mir in dieser Nacht wohl zum ersten Mal ein Fischschwanz gewachsen ist.«
Eleni drehte ihre Hand, verschränkte ihre Finger mit seinen und hielt sie fest. In der ganzen Geschichte war er fast immer allein gewesen. Er sollte wissen, dass jetzt jemand bei ihm war.
Makaio wandte sich in ihre Richtung. »Wie genau ich auf die Insel kam, weiß ich trotzdem nicht mehr. Als ich auf dem Strand aufgewacht bin, waren die Hesperiden bei mir. In der ersten Zeit haben sie sich um mich gekümmert. Manchmal waren sie fast wie Mütter und dann wieder so wie Schwestern oder Freundinnen. Nachdem mir klar geworden war, dass ich die gleiche Gestalt besitze wie sie, habe ich gehofft, ich würdezu ihnen gehören. Ich dachte, ich könnte mich selbst auf dieser Insel finden. Den Grund, warum ich so bin – und eine Erklärung, was mit mir passiert ist.«
Eleni streichelte mit den Fingern über seine Hand. »Und? Hast du das alles herausgefunden?«
Makaio lachte. Es war ein leises, unglückliches Lachen. »Nein. Ich bin immer noch anders als alle anderen.«
Plötzlich fing der Dschungel an zu rauschen. Das Geräusch wehte von Weitem heran, erreichte die Baumriesen über ihnen und bäumte sich auf. Das Blätterdach über ihrer Felsnische flatterte, die mächtigen Stämme knirschten im Sturm und die Berge in der Ferne schienen mit einem entsetzlichen Kreischen auseinanderzubrechen.
Die Schatten! Eleni hatte sie fast vergessen. Doch jetzt flutete die Angst umso heftiger durch ihren Körper. Was, wenn sie gleich neben ihnen im Dschungel landeten? Wenn sie Eleni erkannten?
Ihre Finger krallten sich in Makaios Hand. Aber der winzige Trost reichte nicht mehr. Eleni stieß sich von ihrem Lager ab und rollte zu ihm hinüber. Makaio nahm sie in den Arm und zog sie an sich.
Plötzlich hörte sie seinen Herzschlag, viel lauter und näher als das Flattern der Schatten. Sein Herz raste genauso wie ihres, stolperte aufgeregt und verzweifelt durch die Dunkelheit.
Eleni schloss die Augen und lauschte ihm. Es klang so lebendig! Nichts, was tot war, konnte so voller Furcht um sein Leben rennen. Und irgendwann, während sich die Schatten in dem Tosen über ihnen versammelten, sah Eleni die zusammengefügten Puzzlestücke ganz klar vor sich: Wenn Makaiodiese Insel sehen konnte, wenn er hierher gekommen war, um sich selbst zu finden – dann musste er irgendwie, auf irgendeine Weise so sein wie sie. Ein Halbgott, ein Nachtblut. Er trug ein Mal! Aber was bedeutete die Schlange?
Eleni wusste es nicht. Doch bei einer Sache war sie sich plötzlich ganz sicher: »Du bist nicht tot, Makaio. Unsterblich vielleicht, aber noch nicht gestorben.«
Makaio zog sie noch näher, sein Atem strich über ihre Haare hinweg.
Kurz darauf rauschte der Lärm über ihnen davon und verschwand in der Ferne. Eleni entspannte sich ein wenig. Aber gleichzeitig wusste sie, dass jetzt die gefährlichsten Stunden der Nacht begannen, in denen die Schatten draußen unterwegs waren.
Eleni duckte sich noch dichter an Makaios Brust, lauschte seinem Herz und wollte ihn nicht loslassen. Nicht vor dem Morgengrauen, nicht bevor die Gestalten sich in ihren Verstecken zum Schlafen legten oder was auch immer sie am Tag taten.
Doch je länger sie in der Dunkelheit lagen, je länger nichts Bedrohliches mehr geschah, desto ruhiger wurde Eleni. Bis ihre Gedanken sich schließlich von der Furcht lösten und in eine ganz andere Richtung streiften. Makaio stammte also aus Samoa. Von einer Insel mit Lagunen und Traumstränden ...
Und jetzt lag er hier bei ihr und hielt sie im Arm. Auf einmal fühlte sie sich glücklich, unverschämt glücklich. Was
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