Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
hineinzuziehen, ehe er sich dahinter erhob und die majestätischen Gebirgszüge bekleidete, deren Ausmaße von hier unten nicht abzuschätzen waren. Eleni musste ihren Kopf in den Nacken legen, um bis ganz nach oben sehen zu können. Dunstwolken waberten zwischen den Baumkronen des Dschungels und flatterten lautlos in die Höhe.
Der Gesang der Delfine war verstummt, ihre Bewegungen erschienen lautlos und vorsichtig. Eleni bemerkte erst jetzt, dass drei der Delfine draußen vor den Felsen zurückgeblieben waren. Auch Klicker und Rena tauchten schließlich unter ihnen in die Tiefe und gaben ihnen damit zu verstehen, dass der gemeinsame Teil ihrer Reise beendet war. Ohne noch einmal aufzutauchen oder sich zu verabschieden, verschwanden sie durch das Tor ins offene Meer.
Elenis Arme fühlten sich müde und verkrampft an. Für einen Moment kämpfte sie hilflos gegen die seichten Wellen, ehe sie ihren eigenen Schwimmrhythmus wiederfand. Sie wollte den Delfinen empört hinterherrufen. Doch gerade, als sie ihren Mund öffnete, erinnerte sie sich an Klickers Warnung.
Sie ahnte, dass es tatsächlich gefährlich sein könnte, in der Sprache der Delfine zu sprechen. Ganz deutlich spürte sie wieder, wie die Insel ihnen mit unsichtbaren Augen entgegenblickte. Eleni suchte nach Gestalten oder Gesichtern im Dickicht, nach menschlichen Spuren am Strand. Aber die Bucht lag so ruhig da, als wäre die Insel unbewohnt.
Zögerlich schwamm Eleni hinter ihrer Freundin her und watete zusammen mit ihr an Land.
Philine ließ sich erschöpft in den Sand fallen und breitete ihre Arme zur Seite aus. Ein glückliches Lächeln strahlte auf ihrem Gesicht. »Weißt du, wie es mir vorkommt?« Sie streckte ihren Kopf nach hinten und blickte auf die Berge. »Als hätte ich schon ganz lange darauf gewartet, endlich hierherzukommen.«
Eleni konnte Philines Freude nicht teilen. Obwohl sich ihre Knie so weich wie Butter anfühlten, blieb sie stehen und sah sich um.
Auf einmal kam ihr ein schrecklicher Gedanke: Was würde passieren, wenn die Delfine nicht zurückkamen? Ohne die Tiere könnten sie nicht mehr von dieser Insel entkommen!
Kalter Schweiß benetzte ihren Rücken.
Philine löste ihren Blick von den Bergen. Sie atmete tief ein und Eleni konnte fühlen, wie sie die Furcht aus ihrem Körper zog. Schließlich lächelte Philine ihr zu und Eleni fühlte sich augenblicklich besser. Sie sank im Sand zusammen und streckte sich neben ihrer Freundin aus. Im türkisfarbenen Licht des Wassers schimmerten Philines Augen in einem dunklen Blauschwarz. Auch die blauen Strähnen in ihren Haaren leuchteten.
Warum hatte Philine keine Angst vor diesem Ort? Eleni wusste nicht, ob sie ihre Freundin deshalb beneiden oder um sie fürchten sollte.
Philine streckte die Hand nach ihr aus. »Was ist bloß los mit dir? Deine Angst sprudelt wie ein Wasserfall. Dabei gehören wir hierher, spürst du das nicht?«
Eleni schloss die Augen und versuchte, die Verbindungwahrzunehmen. Philine hatte recht – da waren nicht nur die unsichtbaren Augen, nicht nur das große Unbekannte, das sie bedrohte. Auch etwas Vertrautes schlich sich in ihre Gefühle, ein vages Déjà-vu, als wäre sie schon einmal hier gewesen. Oder hatte sie geträumt?
Die Insel entstammte der Nacht. Wahrscheinlich stimmte es: Sie waren mit dieser Insel verbunden.
»Komm! Wir sehen uns ein bisschen um.« Philine griff nach ihrer Hand.
Schwerfällig erhoben sie sich aus dem Sand. Die ganze Insel schien nach dem Delfinritt zu schwanken. Gemeinsam stolperten sie voran und erreichten die Palmen. Die großen Blätter warfen angenehme Schatten auf den Sand. Aber kurz dahinter begann der Dschungel und versperrte ihnen jegliche Sicht. Lianen wanden sich an den hohen Bäumen hinauf und hingen von oben in einem Vorhang herunter. Überall dort, wo Sonnenlicht auf die Bäume traf, blühten Orchideen und andere tropische Pflanzen in den Astgabelungen. Eleni starrte in das dichte Buschwerk. Doch sie konnte nicht herausfinden, ob sie von dort aus beobachtet wurden oder nicht. Sie bemerkte nur, dass die Luft erfüllt war von dem Gesang exotischer Vögel, und schließlich erspähte sie das ein oder andere bunte Gefieder zwischen den Blättern.
»Hier ist es viel feuchter als auf Kreta«, flüsterte Philine.
Ihre Freundin hatte recht. Die Luft erschien so schwer und drückend wie ein nasses Tuch. Elenis Haut war noch immer genauso feucht, als wären sie gerade aus dem Wasser gekommen.
»Stimmt. Fühlt sich an wie im
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