Insel der Rebellen
und zwinkerte Regina verschwörerisch zu.
»Warum kann ich nicht deine Praktikantin sein?«, fragte ihn eine andere mit gespielter Schüchternheit.
»He, Baby. Von dir würde ich auch gern noch ein paar Dinge lernen.«
»Wir kommen wegen des Anglers.« Andy gab sich betont sachlich. »Ist Dr. Sawamatsu mit dem Fall beschäftigt?«
»Nein. Er ist noch nicht hier.«
»Was ist mit der Chefin?« Andy war erleichtert, dass Dr. Sawamatsu noch nicht da war, und hoffte, dass er überhaupt nicht auftauchte.
Erstens waren Dr. Sawamatsus Englischkenntnisse so dürftig, dass Andy große Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen, vor allem wenn er mit medizinischen Fachbegriffen um sich warf. Außerdem machte der Japaner oft einen kaltschnäuzigen und zynischen Eindruck, und Andy konnte es nicht vertragen, wenn man sich Opfern gegenüber gefühllos verhielt, egal, ob sie tot oder lebendig waren. Am schlimmsten fand Andy jedoch, dass Dr. Sawamatsu ihm gegenüber wiederholt mit seiner Sammlung geprahlt hatte, zu der angeblich künstliche Gelenke, Brust- und Penisimplantate, ein Glasauge und Souvenirs von Flugzeugabstürzen und anderen Katastrophen gehörten. Andy bezweifelte, dass die Leitende Rechtsmedizinerin vom geschmacklosen Hobby ihres Assistenten wusste, denn seine Sammlung befan d sich bei ihm zu Hause und nicht im Büro.
»Vielleicht sollte ich es ihr sagen«, überlegte Andy laut, als sie durch den langen, mit Teppich ausgelegten Korridor zu Dr. Scarpettas Büro gingen.
»Wem sollten Sie was sagen?« Regina blickte sich voller Staunen um und blieb stehen, um einen Blick in die vielen Büros zu werfen, in denen Mikroskope auf Schreibtischen standen und Röntgenaufnahmen in Lichtkästen hingen.
»Keine Fragen und, wie wir bei Bombenwarnungen zu sagen pflegen, fassen Sie auf keinen Fall etwas an«, warnte Andy sie.
»Nichts von dem, was Sie hören und sehen, dürfen Sie an Dritte weitergeben, auch nicht an Ihre Familie.«
»Ich werd's versuchen«, erwiderte sie. »Aber bisher hab ich noch nie ein Geheimnis für mich behalten können.«
Für Barbie Fogg war es etwas Alltägliches, sich die Geheimnisse anderer Leute anzuhören, und sie selbst hatte auch ein paar. In der Sorge, auch Lennie könnte seine Geheimnisse haben, beschloss sie, die nächste Ausfahrt zu nehmen und umzukehren, um noch einmal das Mauthäuschen zu passieren und Hooter anzuvertrauen, dass sie Probleme in ihrer Ehe hatte.
»Lennie hat was außerhalb der Stadt zu erledigen und klipp und klar erklärt, dass er eine Freundin braucht! Glaubst du, dass er da irgendwo eine Affäre hat, weil ich keinen Sex mehr will?«
Barbie schüttete Hooter ihr Herz aus. »Na ja, und Lennie verkauft Immobilien, das heißt, er ist oft zu Hause und hat nicht viel zu tun. Gewöhnlich passt er auf die Zwillinge auf und hätte viel Zeit für Affären. Und jetzt fährt er zu einer wichtigen Konferenz nach Charlotte, und ich mus s zu Hause bleiben. Da ist es gut möglich, dass ich dich eine ganze Woche lang nicht sehen kann.«
Barbie und Hooter waren gleichermaßen enttäuscht. Ihnen kam es vor, als wären sie schon seit Ewigkeiten befreundet.
»Oje, ich wusste gar nicht, wie sehr du mir fehlen würdest«, gab Barbie zu.
»Herr im Himmel, da krieg ich ja Trennungsängste, wenn du nich mehr an mein Mauthäuschen kommst! Zu wem soll ich denn dann reden? Wieso muss er eigentlich nach Charlotte? Weißt du, es geht mir schrecklich auf n Geist, dass die Leute immer nach North Carolina fahrn müssen. Als ob's das Gelobte Land wär oder so was. Weißt du, ich war noch nie in North Carolina. Was is bloß so besonders da?«
»Kriegst du noch Urlaub von der Stadt?«, fragte Barbie, während sich hinter ihr die Autos stauten und hupten. »Warum kommst du nicht morgen Abend mit mir zum NASCAR-Rennen? Ich fänd das toll, und du könntest all die knackigen Rennfahrer sehen. Du müsstest dir aber schon den Nachmittag freinehmen, denn ich fahre immer ziemlich früh hin und halt mich bei den Boxen auf und warte, bis die Fahrer kommen und in ihre Wagen steigen. Manchmal lassen sie sich auch mit dir fotografieren. Ach, wenn du wüsstest, wie das ist! Arm in Arm mit einem schicken Rennfahrer in seinem engen, bunten, feuerfesten Rennanzug!«
»Na, ich war noch nie bei 'n NASCAR-Rennen, so viel steht mal fest, und ich hab noch nie 'n Schwarzen als Rennfahrer gesehen. Ich kann's also nich wissen.« Hooter nahm die endlose Schlange ungeduldig wartender Autofahrer überhaupt nicht zur
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