Insel der Rebellen
austauschten. »O ja, ich bin bereit und freu mich drauf. Hab mich schon immer drauf gefreut! Jesus wird wiederkehren. Ich wusste immer, dass es so kommt.« Hooter starrte an die Decke ihres Mauthäuschens. »Du kannst kommen, Jesus. Komm nur. Ich warte auf dich, und du brauchst auch nich zahlen, wenn du auf deiner Wolke vorbeikommst!«
»Aber nein!«, protestierte Lamonia. »Sagen Sie Ihm nicht, Er soll schon kommen! Es gibt noch viel zu tun für uns, Sie dumme Person! Schauen Sie doch all die Sünde r an! Kilometer um Kilometer. Beten Sie erst für all die armen Menschen, mein Kind!«
Hooter blickte hinaus auf die kilometerlange Schlange hupender Autos.
»Richtig, Schwester. Die meisten von denen sind noch nich bereit für Jesus. Schau nur, wie wütend und unfreundlich die alle sind. Hm, hm.« Hooter schüttelte traurig den Kopf. »Wir bitten Jesus also, noch ein wenig zu warten. Bitte gib uns noch ein wenig Zeit, Jesus«, betete sie laut, während Lamonia fortschlingerte und dabei auf ihren Vordermann auffuhr. »Bitte, lieber Gott im Himmel, gib mir am Samstag frei, verstanden? Nur ein kleiner Urlaub«, betete Hooter. »Das ist alles, worum ich bitte, Jesus.«
ZWEIUNDZWANZIG
»Lieber Gott im Himmel«, betete auch Dr. Faux, als er und Fonny Boy im Flachboot auf dem Meer trieben. »Wir haben die ganze Nacht und den halben Morgen hier draußen verbracht, und jetzt ist mir so kalt, und ich bin so hungrig, ich glaube, ich überlebe keine Stunde mehr. Bitte hilf uns.«
Fonny Boy hatte inzwischen jeden Versuch, das Fach aufzubrechen, aufgegeben und blies eine düstere Melodie auf seiner Mundharmonika, wobei er verschiedene Handhaltungen und Atemtechniken ausprobierte.
Fast wünschte er, er und der Zahnarzt würden gefangen und in den Lagerraum zurückgebracht. Er bereute es bitterlich, dass er nicht daran gedacht hatte, ein paar Getränke und etwas Essen an Bord zu nehmen. Aber er hatte ja eigentlich erwartet, dass sie das Festland erreichen würden, ohne dass sich die Frage nach Proviant stellen würde.
»Mischt, verfluchtä, i glub, dä Strom tragt us glei widä uff dä Insel«, teilte er Dr. Faux mit.
»Ich kann nirgendwo Land sehen. Nirgendwo, Fonny Boy. Und wenn wir in der Nähe der Insel wären, hätten sie uns doch schon längst gesehen, und wir würden mit verbundenen Augen von der Planke ins Meer gestoßen. Ich glaube, wir sind in die Schutzzone getrieben worden. Wenn das der Fall ist, ist kein Fischer in der Gegend, und wir werden hier draußen elend umkommen.«
»Nei«, antwortete Fonny Boy. »Du kannscht sähe, wo dä Strom härkummt.« Er wies auf den leichten Wellengang. »Abä gwiss han dä nu gmärkt, däs mer mit dä Boot fur t sin ond wenn mer us nu nöd beiele, kummet dä hintr us här, ond mer kunn nu no bäte.«
»Es sei denn, sie denken, wir wären auf dem Festland, und du weißt, dass sie dort nicht nach uns suchen. Bist du sicher, dass du die Zahlenkombination für das verdammte Vorhängeschloss nicht kennst? Vielleicht ist eine Leuchtpistole in dem Fach oder sogar ein Spiegel, mit dem wir Signale senden könnten.«
Fonny Boy hatte die Kombination einmal gewusst und war nun furchtbar frustriert, weil er sich nicht erinnern konnte. Jeden Geburtstag in der Familie hatte er ausprobiert, die Postleitzahl von Tangier und mehrere Telefonnummern, alles ohne Erfolg. Er schlug seine Mundharmonika gegen die Schiffsplanken, um sie von Spucke zu befreien, und versuchte ein Straight Harp, eine einfache Folk-Melodie in C, zu spielen, die er wie immer mit dem vierten Loch begann.
»Denk mal scharf nach, Fonny Boy«, versuchte Dr. Faux ihm Mut zu machen. »Für gewöhnlich bauen sich Leute Eselsbrücken, damit sie sich an solche Sachen erinnern. Bestimmt hat dein Vater eine Kombination gewählt, die ihn an etwas erinnert und die er auf keinen Fall vergisst. Gibt es nicht noch irgendwelche wichtigen Zahlen im Leben deines Vaters? Was ist mit dem Hochzeitstag deiner Eltern?«
Doch an den konnte sich Fonny Boy auch nicht mehr erinnern. Er hielt sich jetzt an die tieferen Töne seiner Mundharmonika und versuchte eine kleine BluesImprovisation, ganz wie sein Vorbild Dan Akroyd.
»Einige Fischer benutzen doch einen Kompass«, versuchte es der Zahnarzt weiter. »Wäre es nicht denkbar, dass dein Vater einen Kompasskurs genommen hat, den er für gewöhnlich anpeilt, wenn er nach seinen Krebskörbe n schaut?«
Das Wort Krebskörbe schwebte aus dem fast unbewegten Boot und ließ sich auf der
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