Insel der Rebellen
Brazil in die Box gelaufen kommt, um ihren beknackten Hund zu retten, hol ich die Nadel raus und hau Popeye vor ihren Augen das Rattengift rein. Während die versuchen, den Hund zu retten, der sofort Krämpfe kriegt und schreckliche Schmerzen, schießen wir beiden 'ne Kugel in'n Kopf und rennen anschließend zum Hubschrauber.«
Das Szenario war unaussprechlich grausam, aber Possum beherrschte sich und zeigte keinerlei Reaktion. Tatsächlich schien er fast zu schlafen und für nichts Energie aufzubringen als für den Gedanken, den Tory-Schatz zu schnappen, bevor ihn jemand anders kriegte.
»Wenn einer von den Fischern den Schatz kricht, bevo r wir nach'm Rennen da sind«, sagte Possum, »dann warten wir auffer Insel auf sie und blasen ihnen das Hirn raus, und dann schmeißen wir die Leichen in die Bucht und behalten den Schatz. Und Cat is schon da und hat alles vorbereitet, und darum is er auch nich hier im Moment, und wir haben sogar unseren eigenen Trooper, der für uns arbeitet. Mann, das is doch krass, Smoke«, sagte Possum.
Als Regina später an diesem Morgen zum Frühstückstisch hinunterging, fand sie auch alles krass, aber durchaus nicht im positiven Sinn. Sie hatte einen weiteren schrecklichen Reifen-Alptraum gehabt und musste sich nun endlich der Wahrheit stellen: Andys Deutung war richtig.
Das Leben zog an ihr vorüber. Sie war ekelerregend fett und hatte einen miesen Charakter. Zum ersten Mal in ihrem Leben regte sich Reginas Gewissen, und sie fühlte Scham und Bedauern in sich aufsteigen.
»Guten Morgen«, sagte Pony, als Regina mit düsterer Miene einen Stuhl heranzog und sich darauffallen ließ.
»Soll das heißen, es ist ein guter Morgen, oder wünschst du mir einen guten Morgen, oder sind die Worte in Wirklichkeit völlig bedeutungslos?«, murmelte Regina und betrachtete das dampfende Essen, das Pony auf den Tisch stellte.
»Ich denke, ein guter Morgen«, erwiderte Pony fröhlich. »Ich werde in Kürze ein freier Mann sein, Miss Reginia! Die Sache ist nur« - er servierte Rühreier und Würstchen von einem Teller, auf dem das goldene Siegel des Commonwealth of Virginia prangte -, »dass ich wohl drei Jahre länger im Gefängnis war, als ich eigentlich hätte müssen, und zwar wegen diesem Mr. Trader. Anscheinend hat er mit irgendwelche Leuten dran gedreht, weil er mich hier nich rauslassen wollte.«
Regina starrte auf ihr Essen und stellte voller Verwunderung fest, dass sie nicht hungrig war. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal keinen Hunger gehabt hatte, ausgenommen an dem Abend, als sie ins Krankenhaus musste, nachdem sie die Schoko-Nuss-Kekse gegessen hatte, die Trader vergiftet hatte. Aber da war ihre Appetitlosigkeit nur vorübergehend gewesen und hatte medizinische Ursachen gehabt. Das war nicht zu vergleichen gewesen mit ihrer jetzigen Verfassung.
»Sie essen ja gar nix, Miss Reginia«, sorgte sich Pony, der am gegenüberliegenden Ende des Tisches stand, mit der weißen, steifen Jacke und einer Leinenserviette über dem Arm.
»Du hättest gar nicht ins Gefängnis gehört.« Regina erschrak selbst über diese mitfühlende Regung. »Ich habe nie gesehen, dass du etwas Falsches tust, und ich hab auch nie Angst vor dir gehabt.«
»Oh, vielen Dank, Miss Reginia.« Pony lächelte verwirrt. Er war es nicht gewohnt, dass Regina sich zu seinem Wohlbefinden äußerte oder sein Privatleben zur Kenntnis nahm. »Das ist mächtig nett von Ihnen. Übrigens glaube ich, dass ich Ihnen mit Trip helfen kann. Wie's aussieht, reagiert er nur auf kurze Kommandos - ein oder zwei Wörter. Wenn man länger mit ihm reden will, dann verwirrt ihn das, und er hört nich mehr zu.«
Das heiterte Regina sichtlich auf.
»Wie wär's, wenn ich Ihnen eine Liste mit Kommandos aufschreib? Vielleicht hilft Ihnen das heute Abend schon beim Rennen?«, schlug Pony vor. »Ich hab 'n paar der Unterlagen gelesen, die der Trainer hier gelassen hat. Der kleine Kerl macht keine Probleme beim Reisen. Sie müssen ihm nur 'ne Windel umbinden, dann können Sie ihn glatt in die Limo oder den Hubschrauber stecken.
Meine Frau is im Moment grad im Wäscheraum und macht 'ne hübsche kleine Decke mit'm Siegel von Virginia zurecht, die kann er unterm Geschirr tragen.«
Reginas Laune besserte sich von Minute zu Minute, als hätten Ärger und Depression in ihrem Leben eine unüberwindliche Wand gebildet, die plötzlich zu bröckeln begann. Sie dachte an Andy und seinen Vortrag über ihren Mangel an Mitgefühl, und sie
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