Insel der Rebellen
den Straßen gehörte wahrlich nicht zu den Problemen der Insel, und soweit Ginny wusste, hatten Bürgermeister und Gemeinderat das Problem nicht ein einziges Mal behandelt.
»Nu, da sin gnueg Strass uff dä feschte Land, do muesch nöd dä unsrigen 'moln. Hal uff, sonscht giz Prügel, Bueb.«
Andy war sich nicht ganz sicher, was die alte Frau gerade gesagt hatte, aber er hörte eine Drohung heraus.
»Ich mach bloß meine Arbeit«, sagte er und steckte den Pinsel in den Eimer.
»Was gschieht, wenn man druf fahrt?« Ginny deutete auf die noch feuchte weiße Linie auf der Straße.
»Noch nichts«, erklärte Andy in geheimnisvollem Ton und hoffte, er könne die Frau dazu bringen, sich zu beschweren, und käme auf diese Weise zu ein paa r schönen Zitaten für seinen nächsten Trooper-Truth-Artikel. »Ich muss noch einen zweiten Streifen in genau 400 Meter Entfernung von diesem aufmalen.
Wenn unser Hubschrauber dann über der Insel patrouilliert, kann der Pilot genau sehen, wie lange ein Auto von einem Streifen zum nächsten braucht. VASCAR zeigt uns dann, wie schnell es gefahren ist.«
»Herrjemine? Dä hol NASCAR na Tangier?« Ginny war schockiert.
»VASCAR«, wiederholte Andy, der entzückt war bei dem Gedanken, dass die Leute VASCAR und NASCAR verwechselten. »Das ist ein Computer, der feststellen kann, ob Sie zu schnell fahren.«
»Und do?« Ginny verstand immer noch nicht, in ihrem Kopf wirbelten die Bilder von Stock-Car-Rennen und betrunkenen Fans durcheinander.
»Dann wird ein Trooper am Boden dem Raser folgen und ihm eine Verwarnung erteilen.«
»Wovor warne?« Ginny stellte sich den jungen Trooper mit seinem großen Hut und seiner dunklen Sonnenbrille vor, wie er einen armen Insulaner auf seinem Fahrrad abkanzelte, vermutlich mit erhobenem Zeigefinger, und versuchte, ihn mit seiner Warnung einzuschüchtern - Sie haben das Recht zu schweigen. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Alles, was Sie sagen, kann später gegen Sie verwendet werden -, mit diesem Spruch, den sie aus unzähligen Fernsehfilmen kannte, der Satellitenschüssel sei Dank, die zwischen bunten Glaskugeln und anderem Zierrat in ihrem Garten stand.
»Ein Strafzettel«, fuhr Andy streng fort. »Sie wissen, was ein Strafzettel ist?« Der Pinsel erreichte den Rand der Asphaltdecke, nur wenige Zentimeter entfernt von Ginnys Zaun und all den toten Familienmitgliedern, dere n windschiefe Grabsteine vom rauen Seeklima glatt geschliffen waren. »Wir schreiben einen Strafzettel aus, und dann gehen Sie hinunter ins Rathaus und bezahlen die Strafe. Bar oder mit einem Scheck.«
Er wusste natürlich, dass es auf Tangier Island keine Bank gab.
»Wieviel hätt mer z' zahle, wenn mer locht wän?« Ginnys Unruhe nahm sichtlich zu.
Andy stand auf und streckte seinen schmerzenden Rücken, während er verzweifelt versuchte herauszufinden, was die Frau gerade gesagt hatte. Dann erinnerte er sich an seinen Abstecher in den What Not Shop, unmittelbar bevor er mit dem Aufmalen des Streifens begonnen hatte. Dort hatte er gehört, wie sich zwei Einwohnerinnen im Flüsterton über ihn unterhalten hatten und über jemanden sprachen, der locht wän sollte und dass sie keinen Schimmer hätten, ob jemand was angestellt hätte, aber dass es wohl der Shores Bueb gwäs isch, der uff de angre Sit von dä Schuel wonnt. Dä si Mul so vollnimmt wi ä Schoff und dä si Vadder so aam isch wi ä Kirchmus. Glubb mi gtroscht, Hattie. Wenn dä si Vadder bloß nöd bi jäd Suwetter uffd See wän. Dem ko au dä Lehrer nöd län. Dä Bueb gaht allewil an dä Kant und sucht do irgend so än Gschiss. I schwör di, dä isch nöd kluger als an bieder Kräbs, Lula.
Locht wän hieß also verhaftet werden, dachte Andy, und wenn man Hattie und Lula glauben schenken durfte, dann gab es hier auf der Insel einen Jungen namens Fonny Boy Shores, der zu Hause nicht gerade eine große Hilfe war, eine große Klappe hatte, nie lernte und seine Zeit lieber damit verbrachte, am Wasser nach Strandgut zu suchen, statt seine arme Familie mit ehrlich verdientem Geld zu unterstützen.
»Die Höhe eines Strafgelds für zu schnelles Fahren ist abhängig davon, um wie viele Meilen Sie die zulässige Geschwindigkeit überschritten haben«, informierte Andy die betroffene Inselbewohnerin.
Er ließ sich nicht einen Augenblick anmerken, dass er es für skandalös hielt, Verwarnungsgelder für Geschwindigkeitsübertretungen zu erteilen, die aus der Luft beobachtet worden waren. Flugzeuge oder Hubschrauber
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