Insel der Rebellen
das Frühstücksgeschirr hielt. Unglücklicherweise hatte Crimm sein silbernes Vergrößerungsglas verlegt, obwohl er es doch sorgfältig auf dem Marmorsims des Kamins in seiner großen Suite aufzubewahren pflegte.
»Wo bin ich?«, fragte er laut, für den Fall, dass jemand in der Nähe war. »Heute Morgen will ich keinen Schinken, aber ich brauch jetzt meinen Kaffee. Pony? Komm sofort her! Warum ist es hier so kalt? Es zieht.«
»Du liebe Zeit!« Die Stimme der First Lady Maude Crimm drang ins Empfangszimmer. »Bist du's, Bedford?«
»Wer zum Teufel soll es sonst sein?«, kollerte der Gouverneur.
»Wer hat mir das Vergrößerungsglas weggenommen? Ich glaube, jemand macht das mit Absicht, damit ich nicht seh, was hier vor sich geht.«
»Das bildest du dir nur ein, mein Lieber.« Das schwere Parfüm von Mrs. Crimm eroberte den Raum, während ihre Pantoffeln leise über den Brüsseler Teppich glitten. »Es gibt keine Verschwörung, Liebster«, log sie, während sie ihre verschwimmenden Formen nach vorn beugte und einen Kuss auf das immer kahler werdende Haupt ihre s Gemahls drückte.
Es gab in der Tat eine Verschwörung, und die First Lady wusste das nur zu gut. Sie litt an einer unheilbaren Sammelleidenschaft. Dank der fortschreitenden Blindheit ihres Gatten und dem Internet war es ihr endlich möglich, diesem Laster hemmungslos zu frönen. So hatte Maude Crimm in jüngster Zeit eine Leidenschaft für kostbare Untersetzer entwickelt und in den vergangenen Monaten Unmengen von ihnen erworben, Untersetzer mit verschnörkelten Beinen, mit Putten, filigranen Randverzierungen, Tulpen, Weintrauben, verschlungenem Laub- und Astwerk und »Gott schütze unser Heim«-Inschriften, einige aus Gusseisen, andere aus Messing. Als sie heute Morgen eifrig die Tastatur bearbeitet hatte, während der Gouverneur noch schnarchend im Bett lag und mit den Zähnen knirschte, war sie auf ein wundervolles poliertes Exemplar mit Sternen- und Kranzmuster gestoßen, das ihr nicht mehr aus dem Sin n ging.
Sie hatte eine hochmoralische Kaufphilosophie: Hier und da etwas Selbstbeherrschung zeigen, weitergehen, an etwas anderes denken, egal, worauf sich ihr begehrlicher Blick gerichtet hatte, ein neues Kleid oder einen Untersetzer. Erst wenn das Objekt der Begierde weiterhin nach ihr rief, war ein Kauf unausweichlich und musste vollzogen werden. Ihr Mann schien diese Philosophie nicht zu teilen, daher hatte sie sich angewöhnt, die Anschaffungen seinen Blicken vorzuenthalten, was immer leichter wurde. Allerdings wurden seine blinden Irrwege durch die Villa zu einer zunehmenden Gefahr. Sie fürchtete, dass er eines Tages in einem der begehbaren Kleiderschränke landen und dort über den wachsenden Haufen von kostbaren Untersetzern stolpern würde, der sich auf dem Fußboden aus Kiefernkernholz ausbreitete.
Die First Lady konnte gut und gern auf eine weitere Moralpredigt ihres Mannes verzichten. Er hatte sich noch immer nicht von ihrem letzten Sammelfimmel erholt, in dessen Verlauf der Hausstand der First Family um achtunddreißig Dochtscheren aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert sowie eine seltene Monarch-Toffeedose »Teenie-Weenie« reicher wurde. Selbstverständlich hatten sich die Lieferungen über einen Zeitraum von mehreren Tagen erstreckt. Mrs. Crimm war schlau genug, nicht alles auf einmal zu bestellen, sondern die Lieferungen von Federal Express geschickt zu staffeln.
»Hast du im Lafayettezimmer nachgesehen?«, fragte Mrs. Crimm ihren Mann. »Manchmal liegt das Vergrößerungsglas dort auf der Sheratonkommode neben der Öllampe. Wenn ich darüber nachdenke, meine ich mich sogar zu erinnern, ich hätte es neulich unter dem zweiteiligen Spiegel gesehen.«
»Was hat es im Lafayettezimmer zu suchen?«, antwortete der Gouverneur mürrisch. »Da übernachten doch nur andere Gouverneure und frühere Präsidenten. Jemand versteckt es vor mir. Was willst du vor mir verbergen?«, wollte er von ihr wissen, als er sich mühsam aus dem gebrechlichen alten Stuhl erhob.
»Du weißt, dass ich nie etwas vor dir verheimlicht habe«, erwiderte sie, während sie ihn aus dem Empfangszimmer führte. »Allerdings habe ich heute Morgen diesen üblen Trooper Truth gelesen. Du hast wohl noch nicht gesehen, was er da wieder auf seiner Website verzapft hat?«, fügte sie hinzu, um ihn auf ein anderes Thema zu bringen.
»Was?« Während der Gouverneur sich ihrer Führung überließ, stieß er in einem der Salons an einen kleinen Klapptisch, wobei er
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