Insel der Rebellen
sich in die Luft und tauchte das wirbelnde Gras in gleißendes Licht, während Smoke im breiten Seitenfenster des Helikopters eine der Crimm-Töchter erblickte, die eine Packung Chips aufriss. Dann bemerkte er noch jemanden: Andy Brazil, der zu seinem Wagen zurücktrottete. Beim Anblick dieses Hundesohns verwandelte sich Smokes Gefühlsleben in glühende Lava. Brazil und Hammer hatten Smoke seinerzeit hinter Schloss und Riegel gebracht. Kein Tag in der Zelle war verstrichen, an dem Smoke sich nicht in allen sadistischen Einzelheiten ausgemalt hatte, was er mit den beiden anstellen würde, wenn er die Möglichkeit dazu bekäme.
»Guck mal an«, sagte Smoke, während der Hubschrauber sich über die Bäume erhob und in den Himmel davondonnerte. »Wen haben wir denn da? Vielleicht sollte ich dem Wichser auf der Stelle das Gehirn rauspusten.«
»Wem sein Hirn?« Cat riss seinen Blick los von dem grellen Licht, das die Nacht zerriss. Er folgte Smokes hasserfülltem Blick und sah einen blonden Trooper, der in einen Chevy Caprice stieg.
»Warum willst du denn ausgerechnet jetzt dem sein Hirn rauspusten, Mann?«, protestierte Possum, als Smoke de n Toyota anließ. »Wo hier jede Menge Bullen rumtrampeln! Bist du bekloppt, oder was? Wenn du das machs, mach ich 'ne Biege.«
Als Possum, der auf dem Beifahrersitz saß, nach dem Türgriff tastete, schlug ihm Smoke mit dem Handrücken ins Gesicht. Cuda und Cat rutschten tiefer in ihre Sitze und gaben keinen Mucks von sich. Sie hielten nichts von Smoke, aber sie wussten auch nicht, wo sie sonst hinsollten, und inzwischen hatten sie so viel auf dem Kerbholz, dass sie weiter für ihn arbeiten mussten. Beide hatten in Straßengangs angefangen, und die gab es wie Sand am Meer. Doch die Piraten waren wie die Mafia, versuchte Cat sich zu trösten, während er stocksteif auf der Hinterbank des Land Cruiser saß. Niemand legte sich mit Smoke und seinen Straßenpiraten an, und außerdem hatten sie Größeres im Sinn, als einfach Leute zu überfallen, Geldautomaten zu knacken oder nur so zum Scheiß aus dem Auto in der Gegend rumzuballern. Neulich hatte Smoke seine Leute in die Cloverleaf Mall mitgenommen, jedem nagelneue Nikes gekauft und Pizza und Pommes satt spendiert.
Smoke war nicht durch und durch schlecht. Possum versuchte, sich ein bisschen zu beruhigen. Andererseits hatte er es aber auch satt, von Smoke herumgeschubst zu werden und sich Sorgen zu machen, dass Smoke die arme kleine Popeye umbrachte. Als Possum klein war, hatte sein Vater ihn herumgeschubst und beim Dinner schreckliche Dinge getan - Steakmesser ins Holz gerammt und mit Essen geworfen. Eine Lieblingsbeschäftigung seines Vaters war es gewesen, Kaninchen anzuschießen und die Hunde auf sie zu hetzen. Voller Vergnügen hatte er dann zugesehen, wie die kleinen, quiekenden Geschöpfe in Stücke gerissen wurden. Irgendwann hatte Possum sich in den Keller verzogen, die Schul e geschwänzt und im Dunkeln ferngesehen. Im Lauf der Jahre hörte er auf zu wachsen, verließ den Keller nur noch nachts, plünderte den Kühlschrank und riss sich die Schnapsreste unter den Nagel, wenn seine Eltern zu streiten aufgehört hatten und ins Bett gegangen waren.
Possum hatte nie irgendwelchen Ärger gemacht, bis er gelernt hatte, im Dunkeln zu sehen, und das Sonnenlicht nicht mehr vertrug. Da fing er an, nach Mitternacht aus dem Keller zu kriechen und auf der Chamberlayne Avenue im Norden der Stadt herumzulaufen, wo er neidisch die Autos und die normalen Leute betrachtete - Leute, die kommen und gehen konnten, wie es ihnen gefiel, und die ihre Tage nicht im Keller verbringen und zuhören mussten, wie ihr Vater das Haus zerlegte, ihre Mutter verprügelte und Tiere quälte.
Eines Tages, so gegen zwei Uhr nachts, drückte sich Possum auf dem Parkplatz der Azalea Mall herum und untersuchte den Geldautomaten, weil er hoffte, jemand hätte vergessen, sein Geld aus dem Schlitz zu nehmen. Er bearbeitete den Automaten gerade mit einem Messer, als ein Land Cruiser neben ihm hielt. Possum lief davon, aber Smoke war zu schnell für ihn. Dann wurde Possum zu Boden geworfen, ein weißer Kerl mit Dreadlocks hielt ihm eine Pistole an den Kopf und befahl ihm, in den Land Cruiser zu steigen. Seither war Possum ein Straßenpirat, aber manchmal vermisste er den Keller und dachte an seine Mutter. Einmal - nur ein einziges Mal - hatte er sie von einer Telefonzelle aus angerufen.
»Ich hab jetzt einen guten Nachtjob«, hatte er ihr erzählt.
»Aber ich
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