Insel der Rebellen
darüber informieren können, dass Tangier Island einen Zahnarzt gefangen hält und Virginia wegen dieser verdammten Raserfallen, NASCAR und einem möglicherweise betrügerischen Zahnarzt den Krieg erklärt hat?«
»Dazu hatte ich keine Gelegenheit«, gestand Andy zögernd, während er sich auf dem Sofa niederließ. »Ich glaube auch nicht, dass er noch irgendwas oder irgend-jemanden richtig erkennt. Er dachte, ich sei Soldat, und hatte keine Ahnung, wer Macovich ist. Ich frage mich, ob das wohl die Ursache seines Problems ist, Superintendent Hammer. Vielleicht ist er richtiggehend blind und hat Sie nur deshalb nicht zur Kenntnis genommen, seit er Sie vereidigt hat, weil er Sie noch nie richtig gesehen hat.«
Das war ein Gesichtspunkt, über den Hammer noch nie nachgedacht hatte. »Lächerlich«, entschied sie.
»Mit Verlaub ...«
Sie hob ihre Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Immer wenn jemand einen Satz mit diesen Worten begann, wusste sie im Voraus, dass er im Begriff war, sie anzulügen, zu beleidigen oder zu verärgern. »Sagen Sie mir einfach, worum es geht, und sparen Sie sich diesen Mit-Verlaub-Quatsch.«
»Jemand muss ihm sagen, dass er etwas wegen seiner Augen unternehmen muss«, gab Andy zu bedenken. »Vielleicht sollten Sie das tun.«
»Wenn ich jemals die Gelegenheit bekommen sollte, mit ihm zu reden, werde ich ihm das und noch vieles meh r sagen«, erwiderte Hammer ungeduldig.
Sie fühlte sich alt in Andys Gegenwart. Wenn er anwesend war, schien sie rapide zu vergreisen, daher hatte sie begonnen, ihn zu meiden, und sich angewöhnt, ihn ziemlich unwirsch zu behandeln. Ihr ganzes Leben lang war sie eine außergewöhnlich schöne Frau gewesen. Doch als sie fünfundfünfzig wurde, änderte sich das schlagartig: Innerhalb weniger Tage schien sie Fett anzusetzen und Falten zu bekommen. Über Nacht verschwand ihre Oberlippe, ihre Haare wurden dünn, und ihr Busen schrumpfte. Andy dagegen schien ihr von Mal zu Mal attraktiver zu werden.
Es war unfair, dachte sie.
»Fehlt Ihnen was, Superintendent Hammer?«, fragte Andy.
»Sie wirken plötzlich so verstimmt.«
»Man braucht den Gouverneur in meiner Gegenwart nur zu erwähnen, und schon hab ich schlechte Laune«, sagte sie ausweichend.
Es war so verdammt unfair, klagte sie stumm. Männer in Hammers Alter waren mit Frauen in Andys Alter zusammen, mit Frauen, die Glatzen, faltige Haut, dicke Brillengläser, schwindende Muskelmasse, schütteres Haar, Potenzmittel und Schnarchen für zusätzliche Aktiva hielten.
Verdammt noch mal, was waren Frauen doch für geduldige Opfer männlicher Gehirnwäsche, fuhr Hammer in ihrer stummen Anklage fort. Junge Frauen gaben untereinander sogar mit dem Alter ihrer Liebhaber an.
Erst kürzlich war sie Zeugin eines Gesprächs geworden, in dem Windy Brees während einer Zigarettenpause auf dem Parkplatz vor dem Hauptquartier einer Freundin von einem Mr. Click berichtet hatte. Beladen mit Ordnern un d ihrem Aktenkoffer, war Hammer rasch an Windy und ihrer Freundin vorbeigegangen und hatte auf den Gehweg gestarrt und so getan, als achte sie nicht auf die Unterhaltung ihrer Sekretärin. Doch Windys Stimme war so durchdringend, dass die gesamte State Police ihren Worten hätte folgen können.
»Wie alt ist Mr. Click?«, hatte Windys junge Freundin neidisch gefragt.
»Einundneunzig«, hatte Windy stolz erwidert. »Ich bin total verknallt. Den ganzen Tag sitze ich am Telefon und warte.« Sie hielt ihr Handy hoch und seufzte.
»Aber das ist ja gar nicht an«, hatte ihre Freundin bemerkt.
»Hier, auf diesen Knopf musst du drücken, damit es an ist und klingelt, wenn er anruft.« Sie holte ihr eigenes Handy aus der Handtasche und zeigte es Windy.
»Na, da soll doch!«, rief Windy mit wieder erwachender Hoffnung. »Ich frage mich, ob er weiß, wie er seins anstellt. Weißt du, immer wenn ich ihn anrufe, meldet sich diese Stimme, die sagt, er sei nicht erreichbar, und das deprimiert mich, denn ich frage mich, ob er vielleicht absichtlich unerreichbar ist und das der Grund ist, warum ich seit gestern Abend nichts mehr von ihm gehört habe.«
»Ich muss die Sache selbst in die Hand nehmen«, erklärte Hammer. »Ich kann nicht darauf warten, bis der Gouverneur geruht, mit mir zu reden, während dieser Zahnarzt auf einer Insel gefangen gehalten wird, die Virginia den Krieg erklärt hat. Das ist einfach zu brisant, Andy. Wir müssen uns sofort drum kümmern.«
»Mit Verlaub .«, hatte Andy anfangen wollen, hatte sich aber
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