Insel der Rebellen
»ruf mich an, verdammt noch mal. Bald.«
Während Macovich noch über die Möglichkei t nachdachte, die sich ihm da eröffnete, saß Andy gerade, ein Bier in der Hand, erschöpft in seinem kleinen Haus im Fan District, wo die Menschen am Rande der Gesellschaft und unter Missachtung ihrer Umgebung lebten.
Ungeachtet der Beteuerungen, die die Nachbarn ständig wiederholten, wenn sie nach ihren langen, harten Tagen abends in den Schaukelstühlen auf den Veranden saßen, war der einzige historische Wert, den Andys Viertel aufweisen konnte, sein Alter. Ansonsten war es heruntergekommen, hatte zu wenig Parkplätze und zu viel Leute, die erst kürzlich aus dem Strafvollzug oder therapeutischen Wohngemeinschaften entlassen worden waren und nun unaufgefordert in das Leben ihrer Nachbarn traten. Andys Zweizimmerhaus aus braunem Sandstein hatte weder eine Klimaanlage noch eine einigermaßen funktionierende Heizung. Nicht selten durchlebte sein Computer unter dem Einfluss plötzlicher Stromschwankungen höchst gefährliche Momente.
Im Augenblick kümmerte ihn das alles wenig. Ein irrsinniger Killer hatte Beweismaterial auf seiner Veranda abgelegt, und er wartete ungeduldig auf Slippers E-Mail an Trooper Truth. Andy stand auf und stieß einen Stuhl quer durchs Esszimmer. Wütend griff er sich ein neues Bier aus dem Kühlschrank und kehrte an seinen Computer zurück.
Rasch ergossen sich die Wörter auf den Bildschirm, als er einen geharnischten Artikel verfasste und ihn auf seine Website stellte. Dann kam endlich Slippers E-Mail, Trooper Truth alias Andy antwortete und schlief über der Tastatur ein. Als das Telefon ihn weckte, lag sein Kopf auf dem Esstisch.
»Oh, Scheiße«, stöhnte er, als er steif und benommen um sich blickte. Hartnäckig setzte das Telefon sein Läute n fort.
»Hallo?«, meldete er sich und hoffte, es sei Hammer, die sich meldete, weil ihr sein Artikel gefallen hatte.
»Spreche ich mit Andy Brazil?«, ertönte eine weibliche Stimme in der Leitung, die ihm irgendwie bekannt vorkam.
»Mit wem spreche ich?«
»First Lady Crimm.«
»First Lady!«, sagte Andy verblüfft. »Was für eine unerwartete Ehre ...«
»Sie werden um achtzehn Uhr in der Gouverneursvilla erwartet. Ein paar Drinks und ein kleines Abendessen. Heute Abend um sechs.«
»Haben wir Donnerstag?«, fragte Andy, dem der Wochentag im Augenblick entfallen war.
»Ja doch, ich denke, heute ist Donnerstag. Schrecklich, wie die Wochen dahinrasen. Schauen Sie sich nach dem großen blassgelben Haus Ecke Capitol Square und Ninth Street um, kurz bevor Sie auf die Broad Street kommen. Ich weiß, Sie sind nicht lange in der Stadt und waren ein Jahr lang suspendiert. Da kennen Sie sich sicherlich noch nicht besonders aus bei uns.«
First Lady Crimm gab Pony den Hörer zurück und lächelte zufrieden. Ihre Töchter saßen an dem Frühstückstisch aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg und blickten sie an.
»Ich finde noch immer, du solltest das erst mit Papa besprechen.«
Grace nickte Pony zu, um ihm zu bedeuten, noch mehr Butter auf ihre Haferflocken zu geben. Draußen kam ein heftiger Nordwind auf und trieb den Regen prasselnd gegen die Fenster.
»Er mag den jungen Mann. Ich hab das gemerkt« , antwortete Mrs. Crimm. »Dein Vater hat so viel um die Ohren. Meine Güte, dieses Wetter! In der einen Minute scheint die Sonne, und in der nächsten regnet es!«
»Er bekommt mehr mit, als du glaubst. Und wenn er plötzlich von einem blonden Trooper geflogen wird, der früher bei der City Police war und dann suspendiert wurde, fällt Papa vielleicht ein, dass er damit nichts zu tun hat«, sagte Faith, während der Regen auf das alte Schieferdach hämmerte.
»Womit zu tun?«
»Dass uns der nun plötzlich fliegt.«
»Unsinn. Wir brauchen mehr Piloten. Ich weiß gar nicht, was mit all unseren Piloten passiert ist. Haben die jetzt alle mit den Raserfallen zu tun und deshalb keine Zeit mehr für uns? Du hast doch gehört, was der junge Mann gesagt hat, er hat mit deinem Vater etwas Dringendes zu besprechen. Ich zumindest möchte wissen, worum es sich handelt.«
Pony suchte nach der Aufladestation für das schnurlose Telefon. Nie fand er etwas in der Villa und den Gästehäusern, wenn die Crimms zu Hause waren. An den besonders schlimmen Tagen war er sich nicht mehr sicher, ob ihm die Gefängnisleitung wirklich einen Gefallen getan hatte, als sie ihm die Stelle in der Villa verschafft hatte. Andere Häftlinge, die für die First Family arbeiteten, waren
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