Insel der Rebellen
draußen beschäftigt: machten Reparaturen, arbeiteten im Garten, fegten Laub und putzten die Dienstwagen.
»Ich will nicht stören«, sagte Pony, ohne irgendjemandem in die Augen zu blicken. »Ich kann die Ladestation für das Telefon nicht finden.«
Einen Augenblick lang waren Constance, Grace, Faith und die First Lady abgelenkt, wie immer, wenn jemand wieder einmal etwas suchte. Regina war das einzig e Mitglied der First Family, das sich lieber selbst bediente. Mit Pony dauerte es ihr viel zu lange. Sie nahm sich Toast, Haferflocken, von beiden Seiten gebratene Eier, noch eine Banane und Sauerklee-Honig, den ihnen der Gouverneur von North Carolina zum letzten Weihnachtsfest geschickt hatte, um den Crimms hinterhältig unter die Nase zu reiben, dass der Tar Heel State - North Carolina war einst ein wichtiger Teerlieferant gewesen - dem Staat Virginia in vielerlei Hinsicht haushoch überlegen war.
»Vor einer Minute war sie noch hier.« Faith wurde ungeduldig. Ihr Pferdegesicht war bleich und fast konturlos, weil sie ihm heute morgen noch nicht mit massivem Make-up-Einsatz zu der üblichen Farbenfreude verholfen hatte.
Die First Family hatte es in der Kunst, im ganzen Haus zu suchen, ohne sich von den Stühlen zu rühren, zu großer Perfektion gebracht. Wie sie das machten, hatte Pony nie begriffen, was aber auch nicht besonders verwunderlich war, denn wäre er schlau gewesen, hätte er sicherlich keine weiße Jacke getragen und die Crimms von morgens bis abends bedient.
»Entschuldigung, Miss Faith, aber wo genau ist hier?«, fragte Pony höflich. »Wo Sie sie zuletzt gesehen haben, meine ich.«
»Ruf einfach die Nummer an.« Regina sprach etwas undeutlich, weil mit vollem Mund. »Wenn es klingelt, hörst du, wo sie ist.«
»Das funktioniert nur, wenn du das Handset verloren hast, aber nicht mit der Ladestation«, schnauzte Constance, der es auf die Nerven ging, dass Telefone, Ladestationen und andere Dinge nie an ihrem Platz waren.
»Aber die Station klingelt. Das haben Sie mir gestern erklärt«, sagte Pony zur First Lady, die ihm in all de n Legislaturperioden, in denen er für die Crimms arbeitete, noch nie etwas erklärt hatte.
Damit war eine Lösung in Sicht, doch das Problem noch nicht behoben: Häftlingen durfte die Privatnummer der First Family nicht mitgeteilt werden. Folglich konnte das Ladegerät nur gefunden werden, wenn ein Mitglied der First Family selbst die Nummer wählte, und das verstieß gegen das Protokoll. Diese Aufgabe gehörte zur Arbeitsplatzbeschreibung eines persönlichen oder Verwaltungsassistenten - also eines Angehörigen der höheren Beamtenlaufbahn -, und die Angehörigen der höheren Laufbahn arbeiteten zu dieser frühen Stunde noch nicht.
Der Frühstückstisch zeigte die weiblichen Mitglieder der First Family im Zustand totaler Ratlosigkeit, ausgenommen Regina, die noch immer Essen auf ihren Teller lud und sich nicht ums Protokoll scherte.
»Los!« Sie streckte die Hand aus. »Gib's schon her, Pony.«
Er näherte sich ihr von hinten und setzte das Telefon vorsichtig neben ihren Teller, indem er ihr möglichst viel Freiraum ließ, gerade so, als würde er ein flambiertes Dessert servieren. Mit honigverschmierten Fingern tippte sie die Geheimnummer ein, und gleich darauf ertönte das Aufladegerät unter Reginas wattiertem Morgenmantel auf der Anrichte aus Mahagoni.
»Vielleicht sollte ich mich beim Personenschutz melden.« Regina gab Pony das Telefon zurück. »Diese offiziellen Pflichten langweilen mich zu Tode.«
»Du dürftest uns doch gar nicht schützen.« Die First Lady war wenig begeistert von dieser Idee und entschlossen, sie ihrer Tochter auszureden. »Es sei denn, du hättest einen eigenen Personen-Schützer, der dic h beschützt, während du deine Schwestern, Papa und mich beschützt.«
»Zeig mir das im Gesetzbuch von Virginia«, sagte Regina. »Ich wette, das steht da nicht drin.«
»Du solltest darüber mit dem gut aussehenden Trooper Brazil reden, vielleicht kann er es dir ja ausreden«, sagte die First Lady zu Regina. »Das Leben eines Troopers ist hart und undankbar, apropos Trooper, hat eine von euch heute morgen Trooper Truth gelesen?«
»Wir sind gerade erst aufgestanden«, rief Constance ihrer Mutter ins Gedächtnis.
»Nun, er hat eine unglaublich interessante und sehr mysteriöse Geschichte darüber geschrieben, wer J. R. erschossen hat.«
»Warum schreibt er über Dallas?«, wunderte sich Faith. »Das läuft doch schon seit Ewigkeiten nicht
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