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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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sommerlichen Temperaturen überraschten.
    »Ein Vorschlag zur Güte«, lenkte ich dann ein. »Ich packe uns für den Fall, dass wir noch einmal bei Mira übernachten müssen, ein paar Sachen ein. Dann beseitige ich die Spuren unseres … Abenteuers, und dann warte ich draußen im Garten mit einem Picknickkorb auf dich. Und ich sorge dafür, dass die Hunde die ganze Zeit bei mir sind. Wie hört sich das an?«
    Der Himmel strahlte tiefblau, und für Mitte November war es auf der Insel, wie schon erwähnt, ungewöhnlich warm. Eng aneinandergeschmiegt gingen Will und ich zu meinem Haus zurück, während die Hunde uns fröhlich umsprangen.
    »Weißt du, was mir erst jetzt einfällt?«, entfuhr es mir plötzlich. »Ich habe Iris ganz vergessen! Sie wollte heute kommen, also bin ich nicht ganz allein im Haus.«
    Will lächelte. »Ein schwacher Trost. Was kann sie schon ausrichten, wenn die Geister versuchen, dich die Treppe hinunterzustoßen? Aber immerhin … besser als nichts.«
    Er küsste mich, ehe er in der Scheune verschwand, um Tinkerbell anzuspannen, die die Nacht in dem Stall verbracht hatte, den sonst die Pferde meiner Mutter bewohnten.
    Ich rannte die Stufen empor, holte tief Luft, öffnete die Hintertür und stellte fest, dass die Gläser gespült und fortgeräumt und die Stühle ordentlich an den Tisch geschoben worden waren. Demnach war Iris bereits da.
    Ich fand sie im Esszimmer, wo sie mit Besen und Kehrblech bewaffnet gerade damit beschäftigt war, die Bänder zusammenzufegen. Auch nach all diesen Stunden hing noch immer ein erstickender Rosenduft in der Luft.
    Iris musterte mich scharf. »Was war hier los?«, erkundigte sie sich argwöhnisch.
    Plötzlich kam ich mir vor wie ein kleines Kind, das bei etwas Verbotenem ertappt wird. Fast fürchtete ich mich davor, die Worte laut auszusprechen, doch dann murmelte ich: »Wir haben versucht, Kontakt mit den Mädchen aufzunehmen.«
    »Versucht?! Ich würde sagen, es ist Ihnen gelungen«, raunzte Iris, als sie das Kehrblech in die Küche trug, um die Bänder im Mülleimer verschwinden zu lassen. »Das war ein Fehler, Halcyon! Als die Mädchen das letzte Mal gerufen wurden, hat der Versuch ein Menschenleben gekostet.«
    Ich erinnerte mich an die Geschichte von Hannahs Séance und erschauerte bei dem Gedanken an die arme Jane, die vom Klippenrand in die Tiefe gestürzt war.
    »Ich denke, es ist an der Zeit, dass Sie die Geschichte von Halcyon Crane hören«, sagte Iris ohne weitere Einleitung zu mir, stapfte zur Küchentür hinaus und ließ mich mit meinen Fragen und Ängsten allein zurück.
    Ich folgte ihr erst einen Moment später. Sie war die Auffahrt hinunter und in den Garten gegangen, wo sie auf einer der steinernen Bänke saß. Nachdem sich die Hunde in der Küche in ihren Körben zusammengerollt hatten, gesellte ich mich zu ihr.
    »Sie müssen das Ausmaß Ihrer Gabe erkennen«, sagte sie dort auf der Gartenbank zu mir. »Nachdem Sie die Mädchen zu sich gerufen haben, müssen Sie lernen, diese Gabe zu kontrollieren und richtig einzusetzen. Sie verfügen über mehr Macht als die Drillinge und ganz sicher auch über mehr als dieses sogenannte Medium, das Sie hier hatten. Es wird Zeit, dass Sie begreifen, wer Sie sind, Hallie.«
    »Ich weiß immer noch nicht, worauf Sie eigentlich hinauswollen«, seufzte ich. »Ich habe versucht, das alles zu verstehen, aber …«
    »Deswegen bin ich hier, Kind. Um Sie zu lehren, was Sie lernen müssen, um Ihnen mittels meiner Geschichten zu helfen, sich Ihres zweiten Gesichts nach Belieben zu bedienen. Und ich bin fest überzeugt, dass Sie die letzte Geschichte – Ihre Geschichte – nicht von mir hören, sondern selbst sehen müssen. Es ist der einzig mögliche Weg.«
    Sie fischte ein paar Schwarzweißfotos aus ihrer Schürzentasche und reichte sie mir. »Schauen Sie sie genau an, Halcyon, und befreien Sie sich dann von all Ihren anderen Gedanken. Lassen Sie Ihren Geist und ihr Unterbewusstsein frei. Wenn Sie zwischen den Welten treiben, rufen Sie die Geister Ihrer Mutter und Ihres Vater, und sie werden Ihnen zeigen, was Sie sehen müssen.«
    Und dann verfiel sie in Schweigen und überließ es mir, die Fotos ohne die Untermalung ihrer Erzählungen zu betrachten.
    Ich sah mich als Baby; meine Mutter und mein Vater lächelten breit. Eine Geburtstagstorte mit einer Kerze. Mein Vater, der mit mir auf der Brust im Gras lag. Ich vertiefte mich in die Aufnahmen, bis ich den Augenblick, den sie eingefangen hatten, nahezu

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