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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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Martines Hintertür geklopft. Einige wollten Liebestränke, um bestimmte Männer für sich zu gewinnen, andere eine Medizin für einen immer wiederkehrenden Husten, wieder andere einen Tee zur Linderung von Frauenbeschwerden. Martine gab ihnen immer, was sie wünschten, und bat nie um eine Gegenleistung. Nicht um Bezahlung, nicht um einen Gruß auf der Straße, nicht einmal um ein freundliches Wort. Es wurde gemunkelt, sie würde sich auf andere Weise schadlos halten.
    Es hieß, sie würde ihre Tränke manchmal mit bösen Zaubersprüchen und schwarzer Magie würzen und somit zur gleichen Zeit heilen und verfluchen. Ein Mann beispielsweise erholte sich vom Fieber, nur um festzustellen, dass er auf rätselhafte Weise seine Stimme verloren hatte. Ein chronisch krankes Kind gesundete, konnte wieder draußen spielen und starb dann kurz darauf bei einem Sturz von dem ersten Baum, auf den es je geklettert war.«
    »Das kann doch nicht sein«, murmelte ich. Bei der Vorstellung, meine Urgroßmutter könne bei einer solchen Frau Hilfe gesucht haben, überlief es mich kalt. Diese Geschichte begann verdächtig düster und unheimlich zu werden. Allmählich fragte ich mich, ob sie der Wahrheit entsprach oder ob Iris lediglich eine lokale Legende mit ein paar Schnörkeln versah und an mich weitergab.
    »Ich weiß selbst nicht, ob ich diese Geschichten glauben soll oder nicht.« Iris schien meine Gedanken gelesen zu haben, denn sie musterte mich argwöhnisch. »Ich kann nur berichten, was mit Hannah passiert ist.
    Als alles andere versagt hatte, als die Ärzte nicht mehr tun konnten, als ihr zum Beten zu raten, als jegliche Hoffnung, einmal ein Kind zu haben, dahingeschwunden war, legte Hannah ihren scharlachroten Umhang an, schlich sich in den Stall, sattelte ihr Pferd – Ihre Urgroßmutter war eine ungewöhnlich gute Reiterin –, ritt in das Sommertal und klopfte an Martines Hintertür.« Iris’ Augen hatten sich verdunkelt, sie funkelten vor innerer Erregung. »Martine wartete in ihre winzigen Küche bereits auf sie. Sie bat sie herein – die Tür war so niedrig, dass Ihre Urgroßmutter sich darunter hinwegducken musste –, und Hannah betrat den kleinen Raum, der von einem auf dem Herd brodelnden riesigen Kupferkessel beherrscht wurde.
    ›So, hast du endlich den Weg in das Sommertal gefunden, Hannah Hill?‹, sagte die alte Frau zu ihr. ›Was wünschst du von mir?‹
    ›Bitte‹, flüsterte Hannah nahezu unhörbar. ›Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als meinem Mann endlich ein Kind schenken zu können.‹
    ›Ist das alles? Mehr möchtest du nicht?‹
    Hannah senkte den Kopf. ›Ich bin zu dir gekommen, weil ich viel von dir gehört habe und glaube, dass du über die Macht verfügst, mir helfen zu können. Mein Mann und ich sehnen uns so sehr nach einem Nachkommen.‹
    ›Dazu brauchst du mich nicht‹, erwiderte Martine. ›Du bist durchaus imstande, ein Kind zu empfangen. Er ist es, der keines zeugen kann.‹
    Hannah schlug die Hände vor den Mund.
    ›Aber ich kann dir helfen, ihm zu helfen.‹ Martine lächelte verschlagen, durchquerte den Raum und kam mit einem kleinen Beutel zurück. Als sie ihn öffnete, erblickte Hannah eine Mischung aus getrockneten Blättern und Kräutern, die sie alle noch nie gesehen hatte.
    ›Dein Mann trinkt doch Tee, nicht wahr?‹, fragte die Medizinfrau.
    Hannah nickte. Simeon trank morgens und nachmittags gern eine Tasse, eine Angewohnheit, die er von seiner englischen Mutter übernommen hatte.
    ›Misch ihm drei Morgen lang einen Löffel hiervon in seine Teeblätter‹, wies Martine sie an. ›Er wird die Kräuter weder riechen noch schmecken. Wenn du dann am dritten Abend zu ihm gehst, wirst du ein Kind empfangen.‹
    Hannah musterte die gebeugte, knöcherne alte Frau mit dem schwarzen Schal um den Schultern und dem Beutel mit den magischen Kräutern in der Hand. Plötzlich beschlichen sie Zweifel. Sollte sie sich wirklich darauf einlassen? Verstieß das nicht gegen die Gesetze Gottes und der Natur?
    ›Ist das … Hexerei?‹, erkundigte sie sich zaghaft.
    Die alte Frau lächelte. ›Wie man es nimmt. Ich kenne nun mal ein paar Geheimnisse, die es mir ermöglichen, Heiltränke und anderes herzustellen. Ob du das als Hexerei bezeichnen willst, bleibt dir überlassen. Ich nenne es das Wissen um die Gaben Gottes.‹
    Hannah nickte. Martines Worte hatten sie beruhigt. Zögernd nahm sie der alten Frau den Beutel aus der Hand. ›Bist du sicher, dass diese Medizin meinem Mann auch

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