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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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das Leben ziemlich schwer.
    Besonders gern pflegten sie sich im Haus oder irgendwo auf dem Anwesen zu verstecken, und die arme Hannah war ständig auf der Suche nach ihnen.« Iris kicherte. Ein gurgelndes, würgendes Geräusch, das ich nicht unbedingt noch einmal hören wollte.
    »Für mich klingt das nicht sonderlich ungewöhnlich«, gab ich zu bedenken. »Ich habe zu Hause Freundinnen, deren Sprösslinge noch zehnmal schlimmer sind.«
    »Es war nicht nur ihr Ungehorsam«, widersprach Iris kopfschüttelnd. »Sie waren … seltsam. Diese drei Mädchen schienen überhaupt keine eigenständigen Wesen zu sein. Man sah sie immer nur zusammen. Sie sprachen in demselben monotonen Tonfall, kamen alle drei, wenn nur eine von ihnen gerufen wurde, und trugen meist genau den gleichen Gesichtsausdruck zur Schau. Man hätte denken können, die Mädchen hätten nur eine gemeinsame Seele. Was natürlich Unsinn war.«
    »Natürlich«, murmelte ich wenig überzeugt.
    »Noch etwas sollten Sie über die Mädchen wissen«, fuhr Iris fort, und ihre Augen glitzerten schon wieder. »Sie wirkten fast durchsichtig. Ihre Haut war dünn wie Papier, so, dass man das Blut durch ihre Adern fließen sah. Ihre Augen waren hellblau, fast farblos, und ihr Haar nicht blond, sondern weiß. Es war, als hätte Hannah drei Geistern das Leben geschenkt.«
    »Will sagte, sie wären jung gestorben«, bohrte ich nach.
    »Sie kamen in einem schweren Sturm um, als sie erst acht Jahre alt waren. Die Inselbewohner glaubten, dass Martine selbst diesen Sturm geschickt hatte – reines Geschwätz, nichts anderes. Hier ziehen schließlich oft Stürme auf, gerade wenn man am allerwenigsten mit ihnen rechnet.
    Das besagte Unwetter braute sich an einem schönen Tag Anfang November zusammen. Die Mädchen spielten im Freien, direkt dort drüben auf der Klippe. Hannah war in der Küche und bereitete das Essen zu, als der Sturm über die Insel hereinbrach. Niemand ahnte etwas von dem drohenden Unheil.«
    Ich kämpfte mich fieberhaft durch den Nebel, der meine Erinnerungen verschleierte. »Sprechen Sie etwa von dem Sturm im Jahre 1913, Iris? Ich glaube, von dem habe ich schon mal gehört.«
    Die alte Haushälterin nickte. »Es war eines der schlimmsten Unwetter überhaupt auf den Großen Seen.« Sie sammelte kurz ihre Gedanken und fuhr dann fort: »Es ereignete sich an einem relativ milden, für Anfang November typischen Tag, der die Segler und Fischer auf den See hinauslockte, weil er ruhiges Wasser und angenehme Temperaturen versprach. Wenn die armen Seelen dann zu weit vom Land entfernt waren, um noch umkehren zu können, kam es vor, dass das Wetter urplötzlich umschlug und sie alle in den Tod riss.
    Es war die Zeit des Jahres, wo die Bäume längst keine Blätter mehr tragen und ihre kahlen Äste gewissermaßen wie die Inselbewohner selbst schutzlos dem Wind und dem Schnee ausgeliefert sind, der in Kürze sicher kommen würde. Aber an diesem Tag bedeckte keine Schnee- oder Raureifschicht den Boden; die Sonne stand hoch und hell am Himmel, und es wehte nur ein leichter Wind.«
    »Klingt genau wie das Wetter, das wir zur Zeit haben«, bemerkte ich.
    »Richtig. Die Menschen genossen diese seltenen Novembertage, fuhren ein letztes Mal vor Beginn des Schneefalls mit ihren Fahrrädern über die Insel, hängten Wäsche auf die Leine, damit sie den Duft der frischen Luft einfing, und öffneten die Fenster, um ihre Häuser noch einmal gründlich zu lüften, bevor sie für die nächsten sechs Monate geschlossen werden würden.
    Deswegen erhob Hannah Hill auch keine Einwände, als ihre Töchter sie baten, nach der Schule ins Freie gehen zu dürfen, statt ihre Hausaufgaben zu machen. Sollten die Kinder doch draußen spielen, solange sie noch konnten, dachte sich Hannah, die insgeheim froh war, sie für einige Stunden los zu sein. Ihr Mann wurde an diesem Nachmittag von einer kurzen Reise zum Festland zurückerwartet, und sie wollte das Haus für seine Ankunft noch etwas herrichten.
    Die Mädchen zogen keine Mäntel an, als sie zur Klippe rannten, die vielleicht neunzig Meter von ihrem Haus entfernt ist. Währenddessen putzte Hannah das Wohnzimmer und widmete sich dann der Zubereitung des Abendessens. Während der Nachsaison gaben sie und ihr Mann den Dienstboten oft frei, damit diese Verwandte auf dem Festland besuchen konnten. Hannah musste dann die Arbeit selbst erledigen, aber im Gegensatz zu vielen anderen wohlhabenen Frauen war sie eine gute Köchin und Hausfrau und liebte

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