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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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mich geradezu lächerlich fröhlich. Es tat gut, nach dieser fürchterlichen Nacht mit jemandem sprechen zu können.
    »Die Stelle ist noch frei, falls du Interesse hast«, gab er zurück. »Aber du bist ja neuerdings eine Dame mit viel Zeit zu ihrer Verfügung.«
    »Darf ich dir mitteilen, dass ich heute Morgen auch schon hart gearbeitet habe?«, tadelte ich ihn gespielt gekränkt.
    »Hast du das?«
    »Allerdings! Interessiert es dich vielleicht auch, womit ich mich beschäftigt habe?«
    »Ich sterbe vor Neugier.«
    »Hast du Lust mit mir Mittagessen zu gehen?«
    »Lass mich kurz einen Blick in meinen Kalender werfen.« Ich hörte Papiergeraschel und dann: »Du hast Glück. Durch einen unglaublichen Zufall habe ich heute noch nichts für die Mittagspause ausgemacht. Was übrigens auch die nächsten fünf Monate lang auf jeden einzelnen Tag zutrifft – mit Ausnahme eines Zahnarzttermins im Januar, den ich ohnehin abzusagen beabsichtige.«
    »Na, da bin ich aber froh, dass du mich noch dazwischenquetschen kannst.«
    »Wo möchtest du denn gerne essen? Wir haben nämlich genau zwei Möglichkeiten.«
    »Eigentlich dachte ich, du könntest zu mir rüberkommen«, schlug ich vor. »An einem so schönen Tag bietet es sich doch an, irgendwo auf dem Anwesen ein Picknick zu machen.« Ich hatte noch kaltes Huhn, Salat, den Rest von Iris’ Brot, Käse, Obst und Wein da. Und den Picknickkorb von Mira.
    »Gute Idee.« Will klang ehrlich erfreut. »Ich halte kurz am Supermarkt und besorge uns ein paar Kleinigkeiten. Und ich kenne auf eurem Grundstück einen idealen Platz für ein Picknick. Du kennst ihn auch, aber du erinnerst dich wahrscheinlich nicht mehr daran.«
    »Wo soll das denn sein?« Ich zermarterte mir den Kopf, aber vergebens. Es herrschte blanke Leere.
    »Ich werde dein Gedächtnis schon auffrischen, wenn ich da bin. Gegen zwölf, in Ordnung?«
    »Das passt gut.« Ich sah auf die Uhr. Es war schon fast elf. Hastig legte ich auf, stürmte die Treppe hoch und sprang unter die Dusche.
    Danach wickelte ich mich und mein Haar in zwei große Handtücher, lief zum Schrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Endlich entschied ich mich für Jeans und einen cremefarbenen Strickpullover. Ich fand auch ein langes, buntes Tuch, das ich mir um den Hals schlang. Nachdem ich mein Haar geföhnt und etwas Make-up aufgelegt hatte, warf ich einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel.
    Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich das leise Murmeln des Fernsehers im Hintergrund hörte. Ich steckte den Kopf aus dem Bad, und richtig, es lief gerade irgendeine morgendliche Talkshow im TV. Außerdem brannten sämtliche Lichter. Und die Fensterläden waren geschlossen. So wie letzte Nacht. Aber als ich heute Morgen aufgewacht war, waren sowohl der Fernseher als auch das Licht ausgeschaltet und die Läden geöffnet gewesen. Oder etwa nicht?
    Ich stand einen Moment lang fassungslos da. Irgendjemand erlaubte sich da einen bösen Scherz mit mir! Das war doch ein typischer Kinderstreich! Mitten in der Nacht hätte ich sicher vor Angst geschlottert, aber jetzt, im hellen Tageslicht, stieg einfach nur Wut in mir auf.
    »Sehr komisch, Mädchen!«, rief ich in das leere Zimmer. »Falls ihr mir Angst einjagen wollt, strengt ihr euch umsonst an! Ich werde nur allmählich böse.«
    Ich marschierte aus dem Schlafzimmer, schloss die Tür mit einem vernehmlichen Knall hinter mir und wollte gerade den Korridor hinuntergehen, blieb dann aber wie angewurzelt stehen, als ich leises Gekicher hörte – das aus meinem gerade verlassenen Zimmer kam.
    Mir stockte der Atem. Vielleicht war ich doch nicht so mutig, wie ich angenommen hatte? Ich rannte die Treppe hinunter und in die Küche, ohne auch nur einen Blick über meine Schulter zu riskieren. Rasch suchte ich alles Notwendige für das Picknick zusammen, dann lungerte ich in der Nähe der Tür herum, bis ich Will endlich die Auffahrt heraufkommen sah.
    Kurze Zeit später saßen wir zusammen, ließen uns kalten Hühnersalat schmecken und tranken Weißwein, während er erzählte, wie er die letzten Tage damit verbracht hatte, sich um die Probleme eines extrem anspruchsvollen und schwerreichen Klienten zu kümmern.
    »Da fällt mir etwas ein, das ich dich fragen wollte«, warf ich ein. »Wie bist du eigentlich zum Festland hinübergekommen? Ich dachte, die Fähre würde erst Freitag wiederkommen?«
    Will nickte. »Das tut sie auch. Zu dieser Jahreszeit kann man abgesehen von der Fähre nur mit einem Privatboot

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