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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Webb
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zwischen Insel und Festland hin und her pendeln, und genau das habe ich getan. Mein Klient hat mir seines geschickt.«
    Ich gähnte – nicht, weil mich das Gespräch langweilte, sondern weil ich normalerweise tagsüber keinen Wein trank – und sah mich noch einmal um. Will hatte mich zu einer Stelle des Anwesens geführt, die ich bisher noch nie wahrgenommen hatte. Seit meiner Ankunft hatte ich allerdings auch nicht besonders viel von meiner näheren Umgebung erkundet, denn ich war zu sehr mit dem Haus beschäftigt gewesen. Zwischen den Beeten und den Baumgruppen gab es jedenfalls eine Lichtung, hoch oben auf der Klippe mit Blick auf den See, zu der mich Will geführt hatte. Hier bot sich uns eine andere Aussicht auf das Wasser als vom Haus aus. Wir konnten meilenweit über die Küstenlinie hinausblicken.
    Ich hatte zuerst eine Plastikplane auf dem Boden ausgebreitet, darüber eine dicke Decke gelegt und darüber schließlich das rotweiße Tischtuch, das Mira mir geschenkt hatte. Es war ein klarer Tag mit blauem Himmel, kühl genug, um eine Jacke anbehalten zu müssen, aber dennoch in der Sonne sehr angenehm. Die Hunde hatten sich neben uns auf der Klippe ausgestreckt und hielten ihre Nasen in die leichte Brise.
    Nachdem Will von seinem Besuch auf dem Festland erzählt hatte, fragte er: »Und was hast du während der letzten Tage so getrieben?«
    »Ehe ich dir das sage, habe ich meinerseits eine Frage«, begann ich, dabei grinste ich ihn über den Rand meines Weinglases ein wenig unsicher an. »Wie stehst du zum Thema Spuk?«
    »Willst du wissen, ob ich an Gespenster glaube?«
    »Nun … ja.«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher.« Will nippte an seinem Wein. »Es gibt vieles zwischen Himmel und Erde, das sich mit Logik nicht erklären lässt. Ich will die Existenz von Geistern nicht von vorneherein ausschließen, aber ich selbst bin noch keinem begegnet, obwohl die Leute sagen, diese Insel würde nur so von ihnen wimmeln. Warum fragst du?«
    Ich verwünschte mich schon jetzt dafür, das Thema überhaupt zur Sprache gebracht zu haben. Andererseits zerrten die gespenstischen Ereignisse, die sich in der letzten Zeit gehäuft hatten, zunehmend an meinen Nerven. Ich konnte sie einfach nicht länger als bloße Hirngespinste abtun, sondern musste mit irgendjemandem darüber reden.
    »Seit ich auf diese Insel gekommen bin, stoßen mir seltsame Dinge zu«, begann ich zögernd. »Nein, eigentlich fing alles schon an, bevor ich herkam.«
    Will setzte sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was denn für Dinge?«
    Nachdem ich einen großen Schluck Wein getrunken hatte, erzählte ich ihm schließlich die ganze Geschichte. Ich berichtete ihm von den Vorfällen im Manitou Inn: von dem Ertrinkenden, den ich von meinem Fenster aus gesehen hatte, von dem Handabdruck an der Duschkabine und schließlich von der Vision des Mädchens, das sich über mich beugte, während ich gebadet hatte. Ich erzählte ihm von den Ohrringen, die an dem Abend, an dem wir das Restaurant auf der anderen Seite der Insel besucht hatten, verschwunden und wieder aufgetaucht waren. Und endlich kam ich auch auf das Mädchen vor meinem Fenster zu sprechen.
    »Sie hat gesungen«, schloss ich. »Und willst du auch wissen, was?«
    Er feixte. » I will always love you von Whitney Houston?«
    Ich kann es nicht erklären. Vielleicht lag es an meiner Nervosität und meiner Scheu davor, Will von den unheimlichen Begebenheiten zu erzählen, vielleicht wollte ich die ganze Angelegenheit auch bewusst ins Lächerliche ziehen, aber die Vorstellung, dass das kleine Gespenstermädchen diese Schnulze geträllert haben könnte, erschien mir mit einem Mal so komisch, dass ich von einer jener nicht enden wollenden atemlosen Lachsalven geschüttelt wurde, bei denen man sich kaum beruhigen kann. Als ich endlich wieder nach Luft japsen konnte, stupste ich Will mit einem Fuß an. »Nein, das war es nicht !«
    »Was denn dann?«
    Ich setzte eine geheimnisvolle Miene auf und sang ihm leise die Mollmelodie ins Ohr: »Komm, liebe Freundin, spiel mit mir, drei Puppen hast du stets bei dir.«
    »Uiuiui.« Will erschauerte. Auf seinen Armen hatte sich eine Gänsehaut gebildet. »Das klingt ja wirklich gruselig. Aber bist du sicher, dass das Mädchen, das du gestern Nacht zu sehen geglaubt hast, wirklich da war? Kann es nicht sein, dass du geschlafen hast?«
    »Ich bin mir fast hundertprozentig sicher«, gab ich zurück. »So, Herr Anwalt, und wie lautet nun Ihre sachliche

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