Insel der schwarzen Perlen
Opiumtropfen, um besser schlafen zu können.
Seit Tagen lag sie jetzt schon im Zimmer von Keliis Mutter, die ihre Tochter in Kauai besuchte, denn auch Leilani war erneut sehr krank. Seit Jahren litt sie unter einer schwachen Gesundheit, denn sie hatte sich nie wieder ganz vom Tod ihrer kleinen Rosa erholt. Von Johannes wusste Elisa, wie sehr Leilani mit sich haderte und ihr Leben immer mehr infrage stellte. Je mehr die Hawaiianer litten, desto schwieriger wurde das Leben auch für die Aliâi, die weiÃe Männer geheiratet hatten. Der Spagat zerriss ihre Seele, und sie wussten nicht, was sie ihren Kindern beibringen sollten. Das Ehebett von Johannes und Leilani war erkaltet, worunter Johannes sehr litt.
Elisa war trotz ihres Fiebers dankbar, nicht im Haus bei den Kindern sein zu müssen. Wie hätte sie Eli erklären können, was Kelii ihr angetan hatte? Wie mit den Zwillingen darüber reden? Ihr seid ein Fehler eures Vaters gewesen, wären das die richtigen Worte? Es tat Elisa gut, Zeit für sich zu haben. Der bescheidene Raum, in dem sie schlief, war seit Jahren das Zuhause von Keliis Mutter und glich einer kargen Mönchszelle. Im Vergleich zum Iolani-Palast, der nach dem Vorbild europäischer Königshäuser mit allem erdenklichen Luxus ausgestattet wurde, war Washington Place ein eher bescheidenes Domizil. Doch dieser karge Raum strahlte noch etwas anderes aus. Die Härte der Matratze, der nackte Boden ohne Teppich, ein hölzerner Stuhl ohne Kissen und kein einziges persönliches Bild an der Wand, lediglich ein christliches Kreuz. Mit Keliis Mutter war Elisa nie wirklich warm geworden, und auch ihre Kinder erlebten sie als distanziert und stets auf Haltung bedacht. Dabei war Liebe in ihrem Blick eine gewisse Wärme, doch die Pflicht kam zuerst, wie es sich für eine Aliâi von hohem Rang gehörte. Kelii war seiner Mutter ähnlicher als Elisa gedacht hatte. Die Pflicht seinem Volk gegenüber fesselte sein Herz.
Was würde Elisa jetzt tun? Sie hatten sich gut in Honolulu eingelebt, doch sie war sich nicht sicher, ob sie auf Dauer in der Stadt bleiben sollten. Die Zwillinge waren immer noch sehr zart, sie husteten manchmal wochenlang, obwohl Amala sie mit allerlei Köstlichkeiten päppelte. Doch die einzig gute Schule, auf die Elisa sie ruhigen Gewissens schicken konnte, war überfüllt und zudem in der Nähe von Honolulus Chinatown. Die Stadt war dort dreckig, voller Krankheiten, und sogar Eli und Ulanis Brüder beschwerten sich bisweilen. Die Jungs waren mehr als einmal ausgeraubt worden. Es gab Bandenkriege. Auch deswegen wurde Ulani in ihrem letzten Schuljahr zu Hause auf ihre Prüfung vorbereitet. Mit siebzehn Jahren würde sie schon bald ihre erste Stellung als Gouvernante antreten.
Elisa warf sich im Fieber hin und her. Die Jahre ohne Kelii waren schwer gewesen, denn sie hatte ihn Tag und Nacht vermisst, und oft wollte sie ganz einfach aufhören zu leben. Doch bislang gab es immer noch die Hoffnung. In vielen Farben hatte Elisa sich ihre Zukunft als Familie ausmalen können. Jetzt gab es Okelani mit der schönen Singstimme, die ein Kind von Kelii wollte, um ihn für immer an sich zu binden.
Elisa sah zum Nachttisch, auf dem die Flasche mit dem Opium stand. Es wäre so einfach. Statt der drei Tropfen, die der Doktor ihr zweimal täglich verordnet hatte, könnte sie einfach die ganze Flasche austrinken. Sie würde schlafen, für immer schlafen und könnte denjenigen vergessen, der ihr Herz in tausend Stücke zerrissen hatte.
»Elisa? Bist du wach? Darf ich hereinkommen?«
Es war Johannes. Er klopfte zart an ihre Tür. Jeden Monat einmal hatten sie sich in den letzten beiden Jahren gesehen. Seit Johannes für Janson eine imposante Zweigstelle für Zucker- und Kaffeehandel im Geschäftsdistrikt von Honolulu aufbaute, war er regelmäÃig Gast in ihrem Haus. Amala musste ihm verraten haben, wo sie war. Wieder klopfte es.
Elisa überlegte, ob sie die Kraft für seinen Besuch hatte. Bestimmt hatte Amala ihm alles erzählt, doch vielleicht hatte er es ohnehin schon die ganzen Jahre über gewusst. Wenn sie der Königin Glauben schenken konnte, war es schon länger ein offenes Geheimnis. Man wollte sie nur schonen.
»Elisa ⦠Lass mich herein. Bitte â¦Â«
»Geh weg, Johannes. Ich muss mich ausruhen. Mein Fieber ist hoch, ich habe Kopfweh, vielleicht ist es ansteckend.«
»Es
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