Insel der schwarzen Perlen
mit Liliâuokalani im kleinen Salon bei einer Tasse schwachem Tee, der nach Jasminblüten duftete. Hier stand der Schreibtisch, an dem Liliâuokalani täglich ihre Korrespondenz ordnete und Elisa einen Teil der Briefe zum Beantworten aushändigte. Bisweilen komponierte die ehemalige Königin hier auch ein neues Lied, und Elisa war in den letzten Jahren einige Male mit ihrer Familie eingeladen worden, wenn es einen kleinen Liederabend am Washington Place gab.
Lydia Kamakaeha Liliâuokalani, wie ihr voller Name lautete, hatte keine leiblichen Kinder. Ihre Ehe mit dem Amerikaner John Dominis endete mit seinem Tod im Jahr 1891. Seit sechzehn Jahren war sie Witwe. Die Güte und Weisheit der weisen älteren Dame hatte Elisa schon mehr als einmal getröstet, und sie bat um die Erlaubnis, ein persönliches Problem anzusprechen.
Liliâuokalani hörte ihr ruhig zu. Da Keliis Mutter seit vielen Jahren eine ihrer engsten Vertrauten war, wusste sie um die schreckliche Tragödie seiner Verhaftung. Sie hatte sich persönlich dafür eingesetzt, dass Kelii von dem Gefängnis in Kauai nach Honolulu verlegt werden konnte, weil sie wegen Gerit Janson um Keliis Leben fürchteten. Als Elisa ihren Bericht über das Treffen beendet hatte, nickte sie traurig.
»Manchmal ist es wichtig, der Wahrheit in die Augen zu sehen, obwohl wir dachten, wir könnten Ihnen diesen Kummer auch auf Dauer ersparen, Fräulein Vogel â¦Â«
Liliâuokalani deutete an die Wand neben dem Fenster zum Garten, an der ihr Quilt hing, den sie während der Zeit ihrer Gefangennahme durch die Amerikaner mit ihren treuen Frauen begonnen hatte. Es war ein Crazy Quilt, so nannte man diese Art der Stickerei und des Zusammennähens von unterschiedlichen Stoffen und Bändern im Viktorianischen Zeitalter.
»Hätten meine Frauen mit mir nicht täglich an meinem Quilt gearbeitet, wäre ich vor Kummer vielleicht verrückt geworden. Hier und dort, auch an der Seite, da können Sie meinen Schmerz und meine Fassungslosigkeit erkennen â¦Â«
Sie pausierte kurz, um Elisa Gelegenheit zu geben, aufzustehen und sich die neun Quadrate des Quilts näher anzusehen. Ãberall waren Symbole eingestickt, auch einzelne Worte, dann wieder ein Stück Stoff aus einem anderen Land. Europäische Bänder, asiatische Stoffe, Stickgarn aus Amerika. Auf den ersten Blick sah der Quilt verrückt aus, verletzt und zusammengestückelt, doch bei näherem Hinsehen konnte man viele kleine Geschichten entdecken, auch heitere Momente, wie ein gestickter Mann, dem der Hut im Wind davonflog.
Als sie fortfuhr, war ihre Stimme von beneidenswerter Ruhe, so als hätte sie ihren Frieden mit den Umständen gemacht, die sie vor über zehn Jahren den Thron gekostet und zu ihrer Inhaftierung im Iolani-Palast geführt hatten.
»Auf unseren Inseln tobte schon lange ein erbitterter Kampf, schon bevor die WeiÃen kamen. Es war ein Streit unter Königen, doch vor allem waren sich die Kahuna oft nicht einig, was uns als Volk schwächte. Vielleicht war ich deshalb immer so offen für das Christentum ⦠Durch Jesus habe ich begriffen, was ein Sündenbock ist und was für eine Art von Mensch man sein muss, um auch ein schweres Schicksal annehmen zu können.«
Schwer erhob sie sich von ihrem ledernen Lieblingsstuhl, um ebenfalls zu dem Quilt zu gehen und ihn sich anzusehen. Sie zeigte auf eine Stelle, an der Pfeile auf ein Stück helles Band gerichtet waren.
»Wir sind auch Teil eines gröÃeren Ganzen, Elisa, lernen Sie es zu akzeptieren und ihr Leben danach zu gestalten. Es gibt Kämpfe, die muss jeder von uns in seinem Inneren ausfechten. Ich habe damals meinen John geheiratet, da wir Aliâi annahmen, wir würden näher zusammenwachsen als Völker, wenn wir uns mit den weiÃen Einwanderern vermischen würden. Liebe war zweitrangig ⦠vielleicht war das ein Fehler â¦Â«
Sie setzten sich gemeinsam wieder hin und tranken ihren Tee. Elisa traute sich aus Respekt nicht nach weiteren Details der königlichen Ehe zu fragen. Die Königin war kinderlos geblieben, und es gab Gerüchte über die Verschiedenheit der Temperamente. Doch sie hatte Gerd und Emma. Und auch nach siebenjähriger Trennung glühte ihr Körper in Keliis Nähe. Sie waren eins, und es musste einen Weg für sie geben.
Die Königin sah sie prüfend an, als wollte sie Elisa ermutigen,
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