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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noemi Jordan
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aller Welt dort hinkommen, um gegen die furchtbare Krankheit zu kämpfen, so lautete die offizielle Version der amerikanischen Regierung. Vielleicht wollte man damit aber auch nur die aufgebrachten Angehörigen beruhigen. Eingeweihte sprachen zudem von verschiedenen medizinischen Experimenten zu Forschungszwecken, die von ambitionierten Ärzten auf Kalaupapa an wehrlosen Kranken durchgeführt wurden.
    Die todgeweihten Kranken wurden dort inzwischen von der katholischen Kirche betreut, aber erst nachdem die Kunde der menschenunwürdigen Behandlung schließlich bis nach Rom vorgedrungen war. In dem schwer zugänglichen, durch hohe Klippen eingefassten Gebiet Kalawao waren einst über sechshundert Leprakranke einfach von der Gesellschaft ausgestoßen worden, indem man sie vor der Küste von den Booten ins Wasser gestoßen hatte. Nur diejenigen, die noch schwimmen konnten, haben es überhaupt überlebt, der Rest ertrank.
    Die Überlebenden wurden zunächst ohne medizinische Betreuung ihrem Schicksal überlassen, ohne Behausung und ohne jegliche Würde vegetierten sie bis zu ihrem Tod vor sich hin. Dann kam Pater Damian, ein tiefgläubiger Belgier, der sich für die Kranken einsetzte. Die Kirche arbeitete mit dem Königshaus zusammen, und die Zustände in Kalawao verbesserten sich langsam.
    Pater Damian erlangte Bekanntheit und Verehrung als Apostel der Leprakranken, auch noch als er sich selber infizierte. Bis zu dem Moment, als die tödliche Krankheit ihn auf sein Lager fesselte, diente er von früh bis spät den Kranken. Als er 1889 an der Hansenschen Krankheit, wie Lepra genannt wurde, starb, war er ein Heiliger, auch für Elisas Vater. Er hatte ihr viel von diesem Mann erzählt, denn auf einer seiner Südseereisen durfte er Pater Damian kennenlernen und war sehr beeindruckt.
    Elisa war sich nicht sicher, wie es nach Pater Damians Tod mit der Leprakolonie weitergegangen war, nur dass die Zahlen der Infizierten bis zur Jahrhundertwende stetig weiter gestiegen waren, das wusste sie.
    Die schützende Hand von Königin Lili’uokalani hatte dort inzwischen keinen Einfluss mehr, wie ihr Kelii berichtet hatte. Die kirchlichen und sozialen Einrichtungen litten nach der Machtübernahme inzwischen auf allen Inseln, bestimmt auch in der Leprakolonie. Geldmangel hatte ehemals vom Königshaus protegierte Krankenhäuser verwahrlosen lassen. Elisa fragte Amala, ob sie in letzter Zeit etwas über die Leprakolonie gehört hatte, außer dass sich dort verschiedene westliche Ärzte ein Experimentierfeld erhofften. Die stattliche Hawaiianerin starrte düster vor sich hin.
    Â»Es gibt in vielen Familien Kranke, die abgeholt werden, doch man spricht nicht darüber. Die Schande … Die Kranken kommen immer noch nicht von dort zurück. Aber sie haben jetzt auf Kalaupapa eine Ordenschwester, die ursprünglich aus deinem Land kommt.«
    Â»Aus Deutschland?«
    Â»So heißt es. Schwester Marianne aus Molokai wird sie genannt. Man sagt, sie sei ein Engel …«
    Amalas Stimme klang bedrückt. »Was nützt ein Engel, wenn man nie mehr zurück nach Hause kann …«
    Bisher war kein Kranker je zurückgekehrt, doch ab und zu wurden Briefe von Kranken von der Besatzung des Todesboots auf die Inseln geschmuggelt, wie Amala erzählte. Offiziell war auch das verboten, außerdem konnten viele Kranke weder lesen noch schreiben. Und wenn ein Brief es gelegentlich schaffte, war diese Nachricht meistens von Angehörigen oder Freunden mit Gold oder Perlen aufgewogen worden. Die verzweifelten Schilderungen in den Briefen gaben Auskunft über das harte Leben vor Ort und riefen schlimmste Bilder des Grauens hervor.
    Während die Männer nicht weit von ihnen unter einem Baum standen und sich berieten, raunte Amala Elisa ihre schlimmste Befürchtung im Flüsterton zu:
    Â»Ulani war mit ihren Brüdern mehrere Wochen lang am Hafen. Sie könnte wirklich Mai Pake haben … Und wenn sie die Krankheit hätte, wäre die Seuche bei uns im Dorf …«
    Elisa wusste, welch ein furchtbares Schicksal alle erwartete, sollte der Doktor wirklich Anzeichen der Seuche im Dorf diagnostizieren. Jeder noch so kleine weiße Fleck auf der Haut konnte Grund dafür sein, dass eine Hütte mit sämtlichem Inventar verbrannt wurde. Die Bewohner konnten für den Rest ihres Lebens in die Leprakolonie verbannt werden. Es gab Bestimmungen,

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