Insel der schwarzen Perlen
Amalas Schulter. Ihre Beine schmerzten inzwischen vom Stehen. Eine der Tutus legte ihr eine Decke auf den Boden.
»Setz dich ⦠vielleicht wollen die Polizisten ja wirklich nicht zu uns.«
»Und was ist mit van Ween? Was will der bei den Männern am Versammlungsfelsen«
Elisa lieà sich stöhnend nieder. Amala ermahnte die Jungs, die in ihrem Ãbermut begonnen hatten, mit ihren Blasrohren rote Beeren nach den Mädchen zu spucken. Jeder Treffer wurde prompt mit wildem Geschrei quittiert.
Eli stand in der Mitte seiner Freunde und stemmte betont männlich die Hände in den Seiten, aber davon lieà Amala sich nicht im Geringsten beeindrucken.
»Hör auf, sonst musst du zur Strafe die ganze Woche Wasser für mich holen ⦠und sag das auch deinen Freunden!«
Amala setzte sich ebenfalls auf die Decke.
»Sobald Ulani kräftiger ist, muss sie sich mehr um ihre Brüder kümmern. Zu dritt waren die Jungs während des langen Regens in eurer Hütte doch kaum zu bändigen, oder?«
Elisa nickte erschöpft. Eine bleierne Schwere macht sich in ihr breit, und sie spürte jetzt jeden einzelnen der vielen Kilometer, die sie an diesem Tag gelaufen war.
Gemeinsam sahen sie zu, wie Eli seinen Freunden die Blasrohre abnahm und mit ihnen den Weg entlanglief, um zu schauen, wo die Männer abgeblieben waren.
»Eli ist ein groÃartiger Junge. Er ist wie Kelii, als er klein war â¦Â«
»Wirklich? Ich meine, er ist das Kind seiner Cousine, also eine gewisse Familienähnlichkeit gibt es sicherlich ⦠Kelii sagt, Eli sei mir sehr ähnlich und redet oft genau wie ich.«
»Das kommt, weil du ihm viel beibringst!«
»Hoffentlich ist es gut, wenn sein Geschwisterchen kommt â¦Â«
»Sicherlich ist es das. AuÃerdem hat er neue Freunde â¦Â«
Elisa nickte und ihre Augen leuchteten vor Stolz.
»Ich wünsche mir, sie alle zusammen aufwachsen zu sehen: Ulani und ihre Brüder, Eli und das kleine Geschwisterchen. Viele Kinder zusammen groÃgezogen zu haben, so wie du einst hier im Dorf, das muss ganz wunderbar sein â¦Â«
Amala gab ihrer Freundin recht. Ihre Ehe und die Zeit mit den Kindern war wunderbar gewesen, nur war ihr Mann früh gegangen, und inzwischen lebte nicht eins ihrer acht Kinder mehr auf Kauai. Sie waren mittlerweile alle auf Big Island, weil sie dort Land geerbt hatten und die Gesetze für Hawaiianer dort nicht so streng waren. Ihr erstes Kind hatte sie mit sechzehn bekommen, das letzte mit fünfundzwanzig. Mittlerweile war sie fast fünfzig und fühlte sich immer noch jung, ein Grund, um dankbar zu sein. Sie lächelte Elisa zu und schalt sich insgeheim für ihre immer wieder aufkommenden Zweifel an ihrer Freundin, nur weil sie eine andere Hautfarbe hatte. Elisa war eine groÃartige Mutter. Weder für ihr schlechtes Blut noch für ihr scheuÃliches Aussehen konnte sie etwas. Heute sah Elisa besonders elend aus. Ihre Haut war mit Sonnenflecken übersät. Die fahlen bräunlich-gelben Haare passten nicht zu der typisch hawaiischen Kleidung, die Elisa seit Jahren bevorzugte. Schön konnte man Keliis Frau so kurz vor ihrer Niederkunft nun wirklich nicht nennen.
»Sie kommen ⦠jetzt kommen sie wirklich!« Aufgeregt hüpfte Eli mit seinen Freunden auf und ab.
Die Männer waren den Weg durch den Dschungel hinauf zum Versammlungsfelsen gegangen und kamen jetzt von dort zurück. Ihre Stimmen waren zu hören. Ein bestimmtes Wort fiel einige Male, ein Wort, vor dem sich alle fürchteten: Mai Pake.
Die Tutus hörten auf zu singen. Es wurde totenstill. Instinktiv legte Elisa ihre Hand über das Kind in ihrem Bauch. Die Männer waren bereits so nah, dass sie ihre Worte immer besser verstehen konnte. Sie unterschied zwei eindeutig amerikanische Akzente sowie das gestelzte Britisch des alten Doktors. Es ging um Seuchenkontrolle. Ihr Herz raste vor plötzlicher Panik, vertraute Bilder des Grauens stürzten auf sie ein, und sie zog Amala ein paar Schritte zur Seite, damit Eli und die Jungs sie nicht hören konnten.
»Sie kommen vielleicht wegen Ulani. Du weiÃt, was sie mit kranken Waisenkindern machen, besonders wenn es Mädchen sind â¦Â«
Amala wusste, warum Elisa plötzlich so nervös klang. Die Angst kroch auch in ihre Knochen, denn ein Besuch des britischen Doktors Wellington wegen einer Seuchenkontrolle bedeutete immer Unheil. Ihr Dorf war
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