Insel der Sehnsucht, Insel des Gluecks
wird vermutlich eine sehr lebhafte Diskussion, und ich hätte gern, wenn Sie mir bei der Zusammenstellung einiger Notizen helfen würden. Sie können das viel besser als ich. Das muss an Ihrer Berufserfahrung in der Werbebranche liegen. Trauern Sie diesem Leben eigentlich noch nach? Die Arbeit für mich muss doch eine ziemliche Veränderung sein."
"Es ist eine Veränderung", stimmte Chloe ihr zu, "aber ich bereue sie nicht." Dabei dachte sie vor allem an Derek, der sie so hinterhältig in Leons Falle gelockt hatte.
Das Wochenende verlief äußerst angenehm. Die Davidsons waren ein sympathisches Paar etwa in Louises Alter und bewohnten mit ihren fünf Kindern, etlichen Hunden und Ponies ein großes ehemaliges Pfarrhaus aus viktorianischer Zeit außerhalb von York. Abgesehen von den relativ kurzen Zeitspannen, in denen Chloe Louise bei ihren Notizen helfen musste, konnte sie sich entspannen. Allerdings fühlte sie sich immer noch nicht richtig wohl und hatte kaum Appetit.
Sonntags, als sie Mary Davidson bei der Zubereitung des Mittagessens half, überraschte die unkomplizierte Frau sie dann mit der Feststellung: "Eigentlich ist es unfair, dass ich Sie bitte, mir beim Kochen zu helfen, da Sie doch am liebsten gar nichts essen würden. Aber warten Sie noch einige Wochen, dann wird Ihr Appetit umso heftiger zurückkommen. Bei mir war es auch in jeder Schwangerschaft dasselbe..."
Sie konnte gerade noch die Schüssel mit Rosenkohl auffangen, die Chloes Händen entglitt. Fürsorglich half sie daraufhin Chloe auf einen Stuhl.
"Sie sind doch schwanger, oder?"
Schwanger! Chloe schloss die Augen und rechnete im Geist fieberhaft nach. Wie konnte sie nur so blind gewesen sein? Ihre Übelkeit, die Schwindelanfälle, die zehrende Müdigkeit. Warum hatte sie nicht selber daran gedacht?
"Es war mir bis jetzt nicht klar", gestand sie. "Aber Sie haben vermutlich Recht."
"Ganz bestimmt sogar. Ich habe fünf Kinder geboren und kenne die Symptome in-und auswendig. Louise hat mir gesagt, dass Sie von Ihrem Mann getrennt leben?"
"Ja, wir werden uns scheiden lassen", bestätigte Chloe betont sachlich.
"Aha ... und Ihr gegenwärtiger Zustand könnte die Dinge komplizieren?"
"Nicht in dem Maß, dass ich etwas daran ändern wollte", erwiderte Chloe ruhig.
Schwanger! Chloe konnte es immer noch nicht glauben.
Sieben Tage waren seit dem Wochenende in York vergangen.
Nach ihrer Rückkehr nach London war sie natürlich sofort zum Arzt gegangen und hatte die Bestätigung ihrer Schwange rschaft erhalten.
Louises Reaktion war typisch gewesen. "Nun, was mich betrifft, ändert sich dadurch nichts. Sie sind die beste Sekretärin, die ich je hatte, und wir kommen bestens miteinander aus. So gut sogar, dass ich schon daran gedacht habe, Sie zu bitten, bei mir einzuziehen. Sie kennen meine ungewöhnlichen
Arbeitszeiten am besten, und es würde bestimmt gut funktionieren. Das Angebot schließt natürlich das Baby mit ein."
Chloe war so gerührt, dass ihr fast die Tränen kamen. Doch sie rang sich ein Lächeln ab. "Warten Sie, bis Sie ein halbes Dutzend Nächte wegen des Babygeschreis nicht haben schlafen können, dann werde Sie vielleicht anders denken."
"Das Risiko gehe ich gern ein, wenn Sie es auch wollen, Chloe. Ich kenne mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht wieder heiraten werde. Die Zwillinge werden allmählich groß, und ich bin ein zu geselliger Mensch, um allein leben zu wollen.
Werden Sie es übrigens dem Vater sagen?" fügte Louise beiläufig hinzu.
Ja, würde sie es dem Vater sagen? Diese Frage quälte Chloe in den folgenden Tagen. Leon hatte ein Recht, es zu erfahren, das war ihr klar. Aber nach allem, was sie wusste, konnte sie nicht zu ihm zurück, und er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um das Sorgerecht für das Kind zu bekommen, was Chloe auf keinen Fall würde dulden können.
Wenn es hart auf hart käme, könnte sie immer noch den wahren Grund enthüllen, warum sie Leon verlassen hatte, doch sie wusste, dass sie davor zurückschreckte.
Sie hatte immer noch keine Lösung für das Problem gefunden, als der Brief eintraf. Es war ein dicker weißer Umschlag, und als Absender war der Name einer großen Anwaltskanzlei angegeben. Chloe sank in einen Sessel, riss den Umschlag auf und las das Schreiben der Anwälte. Leon hatte die Scheidung eingereicht. Sie, Chloe, sollte am folgenden Tag in der Suite 104 im Ritz vorsprechen, wo einer der Anwälte mit ihr die erforderliche Vorgehensweise besprechen
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