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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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anstarrte.
    »Herr im Himmel.« Krampfhaft zog er Jo noch fester an sich. Dann stieß er sie von sich und ließ sich in den Fluß gleiten. »Da ist sie«, rief er und griff nach dem leblosen Körper.
    »Was?«
    »Du wirst nicht verrückt.« Keuchend vor Anstrengung packte er mit seiner freien Hand nach ihr und bekam Haar zu fassen. »Hilf mir, sie rauszuziehen.«
    »Oh, mein Gott.« Mit einem Schritt war Jo nun am schlüpfrigen Ufer und bemühte sich, nicht ins Wasser zu rutschen. »Gib mir deine Hand, Nathan. Halt sie fest, ich werde versuchen, dich rauszuziehen. Lebt sie noch? Atmet sie?«
    Nathan hatte inzwischen einen zweiten, genaueren Blick auf die Frau geworfen. Und vor Schreck und Entsetzen hatte sich ihm der Magen umgedreht – der Fluß war nicht freundlich mit ihr umgegangen. »Nein.« Er sprach tonlos und veränderte seinen Griff. Er sah Jo wieder an. »Nein, sie lebt nicht mehr. Ich halte sie hier fest, damit der Fluß sie nicht fortreißt. Und du läufst nach Sanctuary und holst Hilfe.«
    Jo war jetzt ruhig, kühl und ruhig. »Nein, wir bekommen sie schon allein raus«, sagte sie und hielt Nathan die Hand hin.

Vierundzwanzig
    Es war ein grausiges Unterfangen. Zweimal verlor Nathan bei dem Versuch, Susan Peters’ Haar aus dem Gewirr von Ästen zu befreien, in dem sich ihr Körper verfangen hatte, das Gleichgewicht. Er nahm Jos Zurufe wahr; ihre Stimme klang verzweifelt gelassen, als sie gemeinsam darum kämpften, das an Land zu ziehen, was der Fluß von Susan übriggelassen hatte.
    Ihre Übelkeit ignorierend, robbte Jo bäuchlings immer weiter ans Ufer, bis ihr Kinn mit dem dahinschnellenden Wasser in Berührung kam. Mit einem entschlossenen Griff packte sie die Tote unter den Armen. Jos Atem ging in flachen Schüben, als sie sich einen Moment lang dem Tod gegenübersah.
    Sie wußte, daß der Verschluß in ihrem Kopf geklickt, das Bild eingefangen hatte. Daß es für immer ein Teil von ihr sein würde.
    Im nächsten Moment nahm sie den Kampf wieder auf, stemmte keuchend Knie und Füße in den schlammigen Grund, um Halt zu finden. Mit letzter Kraft zog Jo die Tote an Land. Sie vermied es, einen weiteren Blick auf sie zu werfen. Dann streckte sie Nathan die Hände entgegen und spürte im selben Augenblick seinen festen Griff. Als er schließlich im brusthohen Wasser stand und sich ans Ufer schwang, rollte sich Jo erschöpft zur Seite und übergab sich.
    »Geh zurück zum Cottage.« Nathan hustete heftig und spuckte den modrigen Geschmack des Flusses und des Todes aus.
    »Es geht schon wieder.« Sie hockte sich hin und spürte die ersten heißen Tränen über ihre eiskalten Wangen strömen. »Ich brauche noch einen Moment.«
    Sie war genauso bleich wie die Tote, und sie zitterte so heftig, daß Nathan sich wunderte, daß man nicht ihre Knochen klappern hörte. »Geh zurück zum Cottage. Du brauchst trokkene Klamotten.« Er umschloß ihre Hand. »Außerdem mußt
du in Sanctuary anrufen und Hilfe anfordern. Wir können sie nicht so liegenlassen.«
    »Du hast recht.« Mit großer Überwindung riskierte Jo einen kurzen Blick. Die Leiche war grau, aufgedunsen und zerschunden, das dunkle Haar eine steife, schlammverklebte Matte. Aber sie war eine Frau gewesen. »Ich bringe etwas zum Zudecken mit.«
    »Schaffst du es allein?«
    Jo nickte tapfer, und obwohl sich ihr Körper dagegen wehrte, erhob sie sich mühsam. Sie blickte auf ihn hinab. Sein Gesicht war blaß und verschmiert, seine Augen waren vom Wasser gerötet. Sie erinnerte sich, wie er ohne zu zögern in den wütenden Fluß gestiegen war, nur auf das bedacht, was getan werden mußte.
    »Nathan.«
    Mit dem Handrücken wischte er sich erschöpft den Schlamm vom Kinn. »Ja?«
    »Ach nichts«, murmelte sie. »Später.«
    Er wartete, bis ihre Schritte verklungen waren, bis er außer dem Tosen des Flusses und dem Hämmern seines eigenen Herzens nichts mehr hörte. Dann beugte er sich über die Tote und zwang sich, ihr ins Gesicht zu schauen. Sie war hübsch gewesen – das wußte er. Aber sie würde nie wieder hübsch sein. Er biß die Zähne zusammen und berührte sie, drehte ihren Kopf zur Seite, bis er es sah, bis er sicher sein konnte.
    Um ihren Hals verliefen blutunterlaufene Striemen. Er riß seine Hand zurück, zog die Knie an und vergrub das Gesicht in seiner schlammverschmierten Jeans.
    Himmel, was ging hier vor?
    Als Jo auftauchte, hatte er sich wieder im Griff. Sie hatte sich nicht umgezogen, aber er sagte nichts, sondern half ihr, die gelbe Decke

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