Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
über die Leiche zu breiten.
»Sie kommen.« Nervös kaute sie auf ihrer Lippe. »Brian und Kirby. Brian hat abgenommen. Ich hab’ ihm … alles gesagt. Er sagte, er würde sie mitbringen, als Ärztin, aber sonst niemandem davon erzählen, bis …«
Sie brach ab, betrachtete ratlos die Bäume, die sie umgaben. »Warum ist sie hier aufgetaucht, Nathan? Wie, um Himmels
willen, ist sie in den Fluß gekommen? Vielleicht hat sie sich im Dunkeln den Kopf gestoßen und ist hineingefallen. Es ist so entsetzlich. Ich habe erwartet, daß man sie am Strand angespült findet. Aber das hier ist irgendwie schlimmer.«
Nur ein paar Meter vor meiner Haustür, dachte Nathan. Nur ein paar Meter von dem Ort entfernt, an dem er kurz zuvor mit Jo zusammen war. Nur ein paar Meter von dem Ort entfernt, an dem ich die Götter herausgefordert habe, dachte er schaudernd.
War der Leichnam vom Fluß hierher gespült worden, oder hatte man ihn hier abgeladen, so nah bei seinem Cottage, daß er es in einer klaren Mondnacht von seinem Küchenfenster aus hätte sehen können?
Sie griff nach seiner Hand und stellte besorgt fest, daß sie immer noch so eiskalt wie die Leiche am Ufer war. »Du bist völlig durchnäßt und durchgefroren. Geh und zieh dir trokkene Sachen an, ich warte hier auf die anderen.«
»Nein, ich geh’ jetzt nicht weg. Ich laß dich nicht allein, und sie auch nicht.«
Sie dachte an Wärme und Trost und schlang die Arme um ihn. »Das war das Mutigste, was ich jemals gesehen habe. Du bist einfach rein, um sie rauszuholen. Du hättest sie drinlassen können, aber du bist reingegangen.«
»Ich mußte einfach.«
»Das war großartig von dir, Nathan. Ich werde es nie vergessen.«
Er schloß fest die Augen und wandte sich von ihr ab. »Da kommen sie«, sagte er mit tonloser Stimme. Wenige Augenblicke später waren Brian und Kirby bei ihnen.
Zuerst warf Kirby einen kurzen Blick auf die beiden. »Geht rein, nehmt eine heiße Dusche. Nachher untersuche ich euch schnell noch.« Dann kniete sie sich neben die Decke.
Jo verharrte reglos. »Es muß Mrs. Peters sein. Sie hatte sich da an dem Ast verfangen. Sie muß letzte Nacht in den Fluß gefallen sein, und der Sturm hat sie hierher getrieben.«
Als sich auch Brian neben die Decke kniete, griff sie nach Nathans Hand. Nachdem Kirby die Decke zurückgeschlagen hatte, nickte Brian grimmig.
»Ja, das ist sie. Sie haben ein paarmal bei uns gegessen. Verdammt.« Er hockte sich hin, rieb sich übers Gesicht. »Ich hole ihren Mann. Wir müssen sie hier wegbringen.«
»Nein, sie darf nicht bewegt werden.« Kirbys Herzschlag beschleunigte sich. »Du mußt die Polizei anrufen. Sie sollen so schnell wie möglich kommen. Ich glaube nicht, daß sie ertrunken ist.« Behutsam hob sie das Kinn der Toten, so daß der Bluterguß an ihrem Hals sichtbar wurde. »Es sieht aus, als sei sie erwürgt worden. Ermordet.«
»Wie kann das sein? Wie kann so etwas passieren?« Eng zusammengekauert hockte Lexy auf dem Sofa im Wohnzimmer. Sie preßte die Hände zusammen, um sich daran zu hindern, an den Nägeln zu kauen. »Auf Desire wird doch niemand umgebracht. So etwas gibt es hier nicht. Kirby muß sich irren.«
»Bald wissen wir mehr.« Kate schaltete den Deckenventilator an, der Bewegung in die stickige Luft brachte. »Die Polizei wird es herausfinden. So oder so – die arme Frau ist tot, und ihr Mann … Jo Ellen, hör auf, durchs Zimmer zu laufen. Setz dich und trink den Cognac, sonst bekommst du eine dicke Erkältung.«
»Ich kann jetzt nicht sitzen.« Jo ging von einem Fenster zum anderen, aber sie hätte nicht sagen können, wonach sie Ausschau hielt.
»Setz dich doch bitte«, bat Lexy. »Du machst mich noch wahnsinnig. Ich wünschte, Giff wäre hier. Ich verstehe nicht, warum er sich mit den anderen da draußen herumtreiben muß, anstatt hier bei mir zu sein.«
»Hör mal fünf Minuten auf, dich zu beklagen«, fuhr Jo sie an. »Und halt dir zur Abwechslung selbst das Händchen.«
»Fangt ja keinen Streit an«, schaltete sich Kate ein. »Das hat mir gerade noch gefehlt.«
»Ich halte dieses Warten nicht mehr aus. Ich geh’ wieder raus.« Jo ging zur Tür. »Ich will sehen, was los ist.«
»Jo, du gehst auf keinen Fall allein.« Kate preßte die Hände an den Kopf. »Ich ängstige mich ohnehin schon zu Tode. Du verläßt das Haus auf keinen Fall allein.«
Plötzlich kam Jo ihre Tante alt und zerbrechlich vor. »Du hast recht, Kate. Wir sollten alle im Haus bleiben. Draußen sind
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