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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sich zu ihr um. »Ich wünschte, ich hätte damit leben, dir die Wahrheit ersparen können. Aber ich konnte es nicht.«
    »Und jetzt?« Sie wandte das Gesicht zum Himmel. »Soll ich dich für etwas bezahlen lassen, das geschehen ist, als wir beide noch Kinder waren?«
    »Warum nicht?« In seiner Stimme schwang Bitterkeit mit. »Wie kannst du mich je wieder anschauen, ohne ihn zu sehen, ohne zu sehen, was er getan hat? Und ohne mich dafür zu hassen.«
    Genau das habe ich getan, dachte Jo. Sie hatte ihn angeblickt, seinen Vater gesehen und ihn gehaßt. Er hatte ihre Beschimpfungen und Schläge hingenommen, ohne sich zu verteidigen.
    Mutig hatte Kirby ihn genannt. Und sie hatte recht gehabt.
    Jo begriff, daß auch er verletzt war. Warum wurde ihr erst jetzt klar, daß er dasselbe Maß an Schmerz ertragen mußte wie sie. »Intelligenz oder Mitleid erwartest du wohl nicht von mir? Offenbar hast du keine hohe Meinung von mir.«
    Ungläubig starrte er sie an. »Ich verstehe dich nicht.«
    »Das tust du offenbar wirklich nicht, wenn du annimmst, daß ich nach dem ersten Schock, der ersten Trauer nichts Besseres zu tun habe, als dich dafür verantwortlich zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen.«
    »Er war mein Vater.«
    »Wenn er noch am Leben wäre, würde ich ihn umbringen für das, was er uns allen, auch dir, angetan hat. Ich werde ihn bis ans Ende meines Lebens hassen. Ihm werde ich nie vergeben. Und du, Nathan, kannst du damit leben? Oder wirst du einfach weggehen? Ich werde dir sagen, was ich tue.« Bevor er antworten konnte, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. »Ich werde mich nicht bestehlen lassen. Ich werde mir die Chance auf echtes Glück nicht wegnehmen lassen. Aber wenn
du weggehst, werde ich dich hassen. Und niemand wird dich je mehr hassen als ich.«
    Mit diesen Worten drehte sie sich um, stürzte zurück ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Nathan brauchte einen Augenblick, um mit dem Schock, mit dem Gefühl von Dankbarkeit fertig zu werden. Aber er konnte es nicht fassen. Er folgte Jo ins Haus. »Jo Ellen, willst du, daß ich bleibe?« fragte er mit ruhiger Stimme.
    »Habe ich das nicht eben gesagt?« Nervös zog sie eine neue Zigarette aus der Packung, schleuderte sie im nächsten Moment in die Ecke. »Warum soll ich schon wieder verlieren? Warum soll ich schon wieder allein sein? Wie konntest du es zulassen, daß ich mich in dich verliebe, um mich dann aus deinem Leben zu entfernen, nur weil du glaubst, es sei für mich das Beste? Nur weil du es für ehrenhaft hältst? Zum Teufel mit der Ehre, wenn sie mich um das betrügt, was ich zum Leben brauche. Ich bin schon einmal bestohlen worden, habe schon einmal verloren, was ich dringend brauchte, und ich konnte nichts dagegen tun. Aber jetzt bin ich nicht mehr hilflos.«
    Sie zitterte vor Wut, ihre Augen funkelten, ihr Gesicht glühte. Er hatte nie etwas Großartigeres gesehen. »Mit allem habe ich heute abend gerechnet. Aber nicht damit. Ich habe mich darauf vorbereitet, dich zu verlieren. Aber ich habe mich nicht darauf vorbereitet, dich zu behalten.«
    »Ich bin kein verdammter Manschettenknopf.«
    Ein überraschtes, heiseres Lachen löste sich aus seiner Kehle. »Ich weiß nur, daß ich dich liebe.«
    »Das könnte ich dir sogar glauben, wenn du mich dabei umarmen würdest.«
    Den Blick unverwandt auf sie gerichtet, ging er auf sie zu. Er nahm sie in die Arme, zuerst zögernd, dann drückte er sie fester und fester an sich, vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Ich liebe dich.« Als er ihren Duft einsog, den Geschmack ihrer Haut auf seinen Lippen spürte, überwältigten ihn die Gefühle. »Ich liebe dich, Jo Ellen. Ich liebe dich unendlich.«
    »Dann werden wir es schaffen. Wir lassen es uns nicht wieder wegnehmen.« Ihre Stimme klang entschlossen. »Nie wieder.«
     
    Reglos lag er da und hoffte, daß sie schlief.
    Die Frau neben ihm, die Frau, die er liebte, war in Gefahr. Und noch immer hatte er Mühe zu begreifen, von wem diese Gefahr ausging. Er war entschlossen, sie zu schützen, auch wenn er sein eigenes Leben riskieren mußte. Und er war bereit zu töten – kein Preis war ihm zu hoch.
    Sie hatten keine andere Wahl, als es durchzustehen. Sie hatten dem Schicksal einige Augenblicke gestohlen. Aber früher oder später mußten sie dem Spuk gegenübertreten, der sie seit zwanzig Jahren verfolgte und ihnen jetzt ganz nah war.
    »Nathan, ich muß es meiner Familie sagen.« Im Dunkeln griff sie nach seiner Hand. »Ich muß den

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