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Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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»Und ihr habt danach einfach so weitergelebt?«
    »Außer ihm wußte niemand davon, er war sehr vorsichtig. Ja, wir haben ganz normal weitergelebt. Bis er starb und ich zwischen seinen Unterlagen das Tagebuch und die Fotos fand.«
    »Die Fotos.« Der Schwebezustand wurde jäh unterbrochen. »Die Fotos von meiner Mutter. Als sie tot war.«
    Er mußte ihr alles sagen, auch wenn es noch so grausam war. »Den ›entscheidenden Augenblick‹ hat er es genannt.«
    »O Gott«, murmelte sie. Von David Delaney hatte sie diese Lektion gelernt und sie an ihre eigenen Schüler weitergegeben. Den entscheidenden Augenblick festhalten, ahnen, wann die Dynamik einer Situation den Höhepunkt erreicht, wissen, in welchem Moment man den Auslöser drücken muß, um das stärkste Bild zu bekommen. »Es war eine Studie, ein Fototermin.«
    »Ja, das war der Zweck. Er wollte den Tod planen, inszenieren, herbeiführen und festhalten.« Eine Welle des Ekels überkam ihn. Er stürzte noch einen Scotch hinunter, um die Übelkeit in seinem Magen zu betäuben. »Aber das kann nicht alles gewesen sein. Irgend etwas muß in seinem Innern geschlummert haben, etwas, das kein Mensch bemerkt oder vermutet hat. Er hatte Freunde, war beruflich erfolgreich. Er war nach außen hin ein ganz normaler Mensch: Er sah sich Baseball im Fernsehen an, liebte Krimis, grillte gern und wünschte sich Enkel.«
    Jedes Wort riß ihn entzwei. »Aber es gibt keine Entschuldigung für das, was er getan hat. Keine Absolution.«
    Jo machte einen Schritt auf ihn zu. Im Augenblick konzentrierte sich ihr Denken und Fühlen nur auf eines. »Er hat sie danach fotografiert. Ihr Gesicht. Ihre Augen. Ihren Körper. Aktaufnahmen. Er hat sie sorgfältig arrangiert. Den Kopf nach links geneigt, den Arm über die Brust gelegt.«
    »Woher …«
    »Ich habe es gesehen.« Sie schloß die Augen, alles in ihrem Kopf drehte sich. Schmerzhaft kalt durchströmte sie Erleichterung. Eine eisige Schicht über heißer Trauer. »Ich bin nicht verrückt. Ich war auch nie verrückt. Ich hatte keine Halluzinationen. Es war real.«
    »Wovon redest du?«
    Ungeduldig zerrte sie die Zigarettenpackung aus der Hosentasche. Doch als sie das Streichholz entzündete, starrte sie nur wie gebannt auf die Flamme. »Meine Hand zittert nicht mehr«, murmelte sie. »Sie ist absolut ruhig. Ich werde jetzt nicht zusammenbrechen. Ich werde es schaffen. Ich werde nie wieder zusammenbrechen.«
    Besorgt eilte er zu ihr. »Jo Ellen.«
    »Ich bin nicht verrückt.« Jäh hob sie den Kopf und führte dann die Flamme mit sicherer Hand zur Zigarette. »Nie wieder
Angst vor einem Zusammenbruch.« Sie stieß den Rauch aus und blickte ihm nach. »Jemand hat mir ein Foto von meiner Mutter geschickt. Eines der Fotos, die dein Vater gemacht hat.«
    Ihm gefror das Blut in den Adern. »Das ist unmöglich.«
    »Ich habe es gesehen. Ich habe es in der Hand gehalten. Damals konnte ich es mir nicht erklären; es hat mich verfolgt, mich an den Rand des Wahnsinns getrieben.«
    »Du hast mir erzählt, daß dir jemand Aufnahmen von dir selbst geschickt hat.«
    »Ja, das auch. Und dazwischen befand sich dieses Foto, in der letzten Sendung, die ich in Charlotte erhielt. Und nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus war das Bild verschwunden. Der Absender muß in meine Wohnung eingedrungen sein und es sich zurückgeholt haben. Ich habe geglaubt, ich würde halluzinieren. Aber es hat existiert; alles ist wirklich passiert.«
    »Ich bin der einzige Mensch, der es dir geschickt haben könnte. Aber ich habe es nicht getan.«
    »Wo sind die Aufnahmen? Die Negative?«
    »Weg.«
    »Wie meinst du das?«
    »Kyle wollte sie vernichten – zusammen mit dem Tagebuch. Ich war dagegen. Ich wollte Bedenkzeit, um zu entscheiden, was damit geschehen soll. Wir haben uns gestritten. Er meinte, das alles sei zwanzig Jahre her und es bringe nichts, das alles wieder aufzurühren. Die Sache könne uns beide ruinieren. Er war wütend, daß ich in Betracht zog, mich an die Polizei zu wenden oder mit deiner Familie Kontakt aufzunehmen. Am nächsten Morgen war er verschwunden, und mit ihm das Tagebuch und die Fotos. Ich hatte keine Ahnung, wo er steckte. Das nächste, was ich hörte, war die Nachricht von seinem Tod. Ich nehme an, daß er nicht damit leben konnte. Er hat die Beweise vernichtet und anschließend sich selbst.«
    »Aber die Fotos sind nicht vernichtet worden.« Ihr Gehirn arbeitete einwandfrei – klar und kühl. »Sie existieren, genau wie die Bilder von

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