Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
richtigen Moment und die richtigen Worte finden. Ich möchte, daß du es mir überläßt.«
»Aber ich will dabeisein, Jo. Du kannst es ihnen sagen, aber laß mich bitte dabeisein.«
»Einverstanden. Aber es warten noch andere Dinge auf uns.«
»Du brauchst Schutz.«
»Versuch nicht, den weißen Ritter zu spielen, Nathan. Das finde ich fürchterlich.« Ihr flapsiger Kommentar endete mit einem überraschten Aufschrei, als er sie hoch auf die Knie zog.
»Dir darf nichts passieren.« Seine Augen glitzerten gefährlich. »Was ich auch dafür tun muß, ich werde es tun.«
»Ich bin nicht meine Mutter, ich bin nicht Ginny, und ich bin auch nicht Susan Peters. Ich bin weder ein wehrloses Opfer noch dumm oder naiv. Niemand wird sich einen Spaß daraus machen, mich zu jagen.«
Da er mit einer heftigen Reaktion nur ihren Stolz verletzt hätte, zwang Nathan sich zur Ruhe. »Nötigenfalls lade ich dich auf die Schulter und schleppe dich von der Insel, so wie ich dich vorhin hierher geschleppt habe. Dann bringe ich dich an einen sicheren Ort und schließe dich ein. Und wenn du das vermeiden möchtest, dann versprich mir, daß du auf der Insel keinen Schritt allein machst.«
»Ich glaube, du überschätzt deine Fähigkeiten.«
»In diesem Fall nicht.« Er faßte ihr Kinn und zwang sie, ihn anzuschauen. »Sieh mich an, Jo. Du bedeutest mir alles. Alles kann ich ertragen, nur nicht, dich zu verlieren.«
Ein Schauder durchlief sie, doch diesmal war es weder Angst noch Wut. »So sehr hat mich noch nie jemand geliebt. Irgendwie muß ich mich erst noch daran gewöhnen.«
»Versprich es mir bitte.«
»Also gut«, fügte sie sich seufzend. »Ich werde das Haus nicht allein verlassen. Dieser ganze Beziehungskram scheint mit einer Menge Kompromisse verbunden zu sein. Wahrscheinlich hatte ich deshalb so lange keine Lust darauf.« Sie hockte sich hin. »Wir dürfen nicht rumstehen. Ich bin nicht die einzige Frau auf der Insel. Ich bin nicht Annabelles einzige Tochter.«
»Nein, wir werden nicht tatenlos rumstehen. Ich werde mich gleich ans Telefon hängen und versuchen, ein paar zusätzliche Informationen über Kyles Unfall zu beschaffen. Es war keine leichte Zeit, da ist mir sicher einiges entgangen.«
»Was weißt du über seine Freunde, seine Finanzen?«
»Nicht viel. In den letzten Jahren standen wir uns nicht mehr so nah wie früher.« Nathan öffnete das Fenster. »Wir haben uns in unterschiedliche Richtungen entwickelt.«
»Was für ein Mensch war er?«
»Er war … sehr auf die Gegenwart fixiert. Er lebte für den Augenblick, wollte jeden Moment auskosten, ohne sich Gedanken über die Konsequenzen, die Zukunft zu machen. Aber er hat damit nie jemandem geschadet.«
Es war ihm sehr wichtig, daß sie das begriff. »Er machte sich die Dinge leicht. Er war sehr charmant und talentiert. Dad pflegte zu sagen, daß Kyle es zu einem der besten Fotografen der Welt bringen konnte, wenn er nur etwas mehr Ehrgeiz entwickelte. Und Kyle sagte immer, daß Dad zu kritisch mit seiner Arbeit sei und ihn darum beneidete, daß er sein ganzes Leben und seine Karriere noch vor sich hatte.«
Nathan ließ die Worte noch einmal an sich vorbeiziehen. Und begriff, was er eben gesagt hatte. War es Konkurrenzdenken? Wollte der Sohn seinen Vater übertrumpfen? Sein Herzschlag beschleunigte sich, das Blut pochte in seinen Schläfen.
»Ich werde jetzt ein paar Anrufe machen«, sagte er entschlossen. »Wenn wir diese Möglichkeit ausschließen können, können wir uns auf andere konzentrieren. Kyle könnte zum Beispiel ertrunken sein, aber davor die Fotos einem Kollegen oder einem Freund gezeigt haben.«
»Vielleicht.« Jo wollte sich nicht auf vage Spekulationen einlassen. »Wer immer es war, kann fotografieren und hat Talent. Er ist unbeständig, manchmal nachlässig, aber talentiert.«
Nathan nickte schweigend. Sie hatte soeben eine perfekte Beschreibung seines Bruders geliefert.
»Er muß die Fotos selbst entwickelt haben«, fuhr Jo fort. »Das bedeutet, daß ihm eine Dunkelkammer zur Verfügung steht. Sowohl in Charlotte als auch hier. Der Brief, den ich hier bekommen habe, wurde in Savannah aufgegeben.«
»Man kann Dunkelkammern stundenweise mieten.«
»Ja, das hat er wahrscheinlich getan. Oder er hat eine Wohnung, ein Haus gemietet und seine eigene Ausrüstung mitgebracht. Oder eine neue gekauft. In seinen eigenen vier Wänden und mit seiner eigenen Ausrüstung hätte er alles besser unter Kontrolle.« Ihre Blicke trafen sich. »Und
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