Insel der Sehnsucht: Roman (German Edition)
leiht mir Kate Grandma Pendletons Perlen.«
Jo lachte wieder, während Lexys Gemurmel langsam verhallte. Sorgfältig bündelte sie die Bettwäsche und trug sie hinaus zum Rollwagen. Durch den Spalt einer Tür sah sie, daß das Pärchen aus Toronto bereits packte. Die anderen Gäste vermutlich auch.
Als Jo nach unten kam, sah sie ihre Befürchtungen bestätigt. Vor der Haustür türmte sich Gepäck, und im Salon drängten sich Gäste, die angstvoll zum Himmel hinaufstarrten.
Kate saß hinter dem Tresen, inmitten eines Chaos aus Papieren und Formularen und besorgten Anfragen. Ihr freundliches Lächeln wirkte etwas mitgenommen, als sie aufblickte.
Sie warf Jo einen entschuldigenden, leicht verzweifelten Blick zu. »Mr. und Mrs. Littleton, vor dem Haus wartet der
Wagen. Mr. und Mrs. Parker. Miss Houston. Ja, ja, ich komme gleich. Wenn sich die übrigen Gäste bitte gedulden mögen, meine Nichte kümmert sich sofort um Sie.«
Kate quetschte sich durch die Menge und ergriff Jos Arm. »Raus hier. Man könnte meinen, es stünde ein Atomangriff bevor.«
»Die meisten haben wohl noch keinen Hurrikan erlebt.«
»Deshalb bin ich auch froh, daß sie bald fort sind. Mein Gott, diese Insel hat schon Stürme überstanden und wird auch noch einige überstehen …«
Auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen schleppte Kate Jo in die Toiletten im Foyer. Mit einem erleichterten Seufzer schloß sie die Tür hinter sich. »Wenigstens zwei Minuten Ruhe. Tut mir leid, daß ich dich in diesem Chaos allein lasse.«
»Schon in Ordnung. Ich kann die nächste Gruppe im Jeep zum Hafen bringen.«
»Nein«, erwiderte Kate scharf, bevor sie sich über das Waschbecken beugte und sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. »Du wirst das Haus nicht verlassen, ohne daß einer von uns bei dir ist. Ich will mir nicht auch noch um dich Sorgen machen.«
»Aber ich kann doch die Türen des Wagens verriegeln.«
»Nein. Und ich bin nicht gewillt, noch weiter über dieses Thema zu diskutieren. Dafür fehlt uns wirklich die Zeit. Du kümmerst dich um die Gäste im Haus, während ich mich hinters Steuer klemme und die Leute aus den Cottages aufsammle. Brian ist schon unterwegs zum Campingplatz. Bald wird er mit einem weiteren Schwung Leute zum Auschecken ankommen.«
»Okay, Kate, wie du meinst.«
»Dein Vater hat das Radio runter in die Küche gebracht.« Sie faßte Jo an beiden Armen. »Er ist in Rufweite. Du gehst kein Risiko ein, verstehst du mich?«
»Ich verstehe. Ich muß noch Nathan anrufen.«
»Das habe ich schon versucht. Er hat nicht abgenommen. Ich fahre bei ihm vorbei, bevor ich die nächsten Gäste ins Haupthaus bringe. Mir ginge es besser, wenn er auch schon hier wäre.« Kate atmete tief durch, straffte die Schultern und öffnete die Tür.
Jo warf einen Blick in Richtung Salon, aus dem noch immer ein Stimmengewirr drang. »Beeil dich bitte«, sagte sie und zwang sich zu einem Lächeln, während sie sich ins Getümmel stürzte.
Draußen wuchtete Giff eine Spanplatte vor das große Fenster des Speisesaals, und Lexy, die zu seinen Füßen kniete, hämmerte geschickt den ersten Nagel ins Holz. Sie plapperte ohne Pause, aber Giff hörte nur jedes dritte Wort. Der Wind war etwas abgeflaut, und der Himmel färbte sich allmählich schwefelgelb.
Der Hurrikan kommt, dachte er, und zwar schneller als erwartet. Seine Familie hatte ihr Haus bereits sturmfest gemacht und würde in Sicherheit sein.
»Hat irgend jemand Nathan angerufen?«
»Keine Ahnung.« Lexy schlug den nächsten Nagel ins Holz. »Daddy würde ohnehin nicht zulassen, daß er uns hilft.«
»Dein Vater ist nicht dumm, Lexy. Er will sein Haus in Sicherheit wissen. Und er hatte eine Nacht Zeit, nachzudenken.«
»Er ist so stur wie sechs Mulis mit Verstopfung, und Brian steht ihm da in nichts nach. Es gibt Leute, die die Urenkel von diesem Mistkerl Sherman dafür verantwortlich machen, daß er Atlanta in Schutt und Asche gelegt hat.«
»Die gibt es sicher.« Giff hob die nächste Spanplatte an.
»Diese Leute haben einfach kein Hirn im Kopf.« Entschlossen holte Lexy aus und trieb einen weiteren Nagel ins Holz. »Und es ist eine schreckliche Vorstellung, daß mein eigener Vater und mein leibhaftiger Bruder zu dieser Gattung gehören. Außerdem sind sie blind, denn eine Achtzigjährige erkennt ohne Brille, wie sehr Nathan Jo Ellen liebt. Und es ist nicht richtig, daß die beiden sich deshalb schuldig fühlen sollten.«
Sie richtete ihren Oberkörper auf und blies sich eine
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